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Weihnachten - Das Wagnis der Verwundbarkeit

Weihnachten - Das Wagnis der Verwundbarkeit

Titel: Weihnachten - Das Wagnis der Verwundbarkeit
Autoren: Hildegund Keul
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Verletzlichkeit zu humanem Handeln bewegen lässt.
    Dieses Geheimnis von Weihnachten zeigt prompt seine Wirkung. Im Neugeborenen, das in der Krippe liegt, erkennen die Sterndeuter den, den sie am Ort der Macht vergeblich gesucht haben. Sie huldigen dem Kind und stellen sich in den Dienst dessen, was es verkörpert. Und nun holen sie die Schätze hervor, die sie den ganzen Weg über mit sich getragen haben: Gold, Weihrauch und Myrrhe. Sie waren für den irdischen König gedacht. Aber die Gottesgeburt verwandelt ihre Bestimmung. Das hilfsbedürftige, verletzliche Kind erhält die königlichen Geschenke. Im Gegensatz zu Herodes zeigen sich die Sterndeuter bereit, ihre Lebensressourcen mit den Bedürftigen zu teilen. Sie halten ihre Gaben nicht zurück, obwohl sie weder eine materielle Gegengabe noch einWachstum an irdischer Macht oder sozialem Ansehen zu erwarten haben. Sie sind großzügig. Anstatt zu behalten und ängstlich zu horten, geben sie ohne jedes Zögern.
    Der irdische König hätte ihre Geschenke nicht notwendig gebraucht. Aber diese Menschen hier, die keinen Platz in der Herberge gefunden haben und bald auf einer gefährlichen Flucht sein werden, können die Schätze besonders gut gebrauchen. Auch dies stürzt die Ordnung der Dinge um. Nicht die Reichen werden noch reicher, sondern den Armen wird der königliche Reichtum zuteil. Es geschieht das, was Maria im Magnifikat besingt: »Die Hungernden beschenkt er mit seinen Gaben und lässt die Reichen leer ausgehen.« (Lk 1,54) An der Krippe bricht das Reich Gottes an.
    Aber noch immer sind die Sterndeuter in der Gefahr, als Staatstrojaner zu funktionieren. Erst ein Traum öffnet ihnen die Augen über die verborgenen Absichten, die Herodes mit ihnen verfolgt. Nachdem sie an der Krippe waren, sehen die Magier alles in einem neuen Licht. Sie lassen sich nicht missbrauchen. Unscheinbar, wie sie gekommen sind, »zogen sie auf einem anderen Weg heim in ihr Land.« (Mt 2,12)
    Wie die Magier zu Königen werden
    Das Matthäus-Evangelium nennt diese besonderen Krippenbesucher »Magier«, Sterndeuter. Im Psalm 72 wird verkündet, dass »Könige« von weither kommen und ihre Gaben bringen. Indem man beides zusammendenkt, werden die Magier zu Königen (so der Theologe Tertullian, gest. um 220). Dass es genau drei sind, wird aus der Dreizahl der Gaben Weihrauch, Gold und Myrrhe geschlossen (so der Theologe Origenes, gest. um 254).
    Erneut gehen sie ein enormes Risiko ein. Wenn sie unterwegs von den Schergen des Königs aufgegriffen werden, ist ihr Leben verspielt. Ihr Rückweg ist daher ganz anders als ihr Hinweg. Nun müssen sie sich im Verborgenen halten, dürfen nicht auffallen, müssen unscheinbare Wege einschlagen. Und dennoch kehren sie nicht verarmt zurück in ihre Heimat, sondern sie wissen sich reich beschenkt.
Verblüffend großzügig sein.
Der soziale Vater Josef
    In vielen Darstellungen von Weihnachten erscheint Josef als Randfigur. Er schmückt die Szene aus und gehört zu einer heilen Welt, einer Idylle, die keine sozialen, kulturellen oder religiösen Brüche kennt. Der äußere Anschein besagt, dass er zwar im Innern des Geschehens steht, ganz dicht bei der Krippe, dass er aber leider nichts zu sagen hat. Nirgendwo kommt er selbst zu Wort. Die Bibel berichtet nur wenig von ihm, schon vor dem öffentlichen Auftreten Jesu verschwindet er kommentarlos aus der Geschichte. Ist er auch an der Krippe nur schmückendes Beiwerk? Aber die Weihnachtsgeschichten der Bibel sind von anderer Natur. Wenn man danach fragt, wie die Menschen hier mit Verwundbarkeit umgehen, dann rückt Josef plötzlich ans Zentrum heran und steht überraschend gut da. Dieser Mann ist eine verblüffende Krippenfigur. Denn er ist verblüffend großzügig und opferbereit.
    Das Matthäus-Evangelium widmet der Erzählung seiner Geschichte großen Raum. Zu Beginn ist Josef ineiner überaus heiklen, peinlichen, sogar ehrenrührigen Situation. Seine Verlobte, eine junge Frau, ist schwanger. Aber er kann gar nicht der biologische Vater sein, denn er hatte keinen Geschlechtsverkehr mit ihr. So stellt es Matthäus dar. Und es entspricht den gesellschaftlichen Gepflogenheiten, den Regeln von Anstand und Sitte, dass sich die Verlobten nur in Gegenwart Dritter treffen und gar keine Chance auf besondere Intimitäten haben. Was nun? Josef steht gedemütigt da. Denn in einer patriarchalen Gesellschaft geht es dem Mann an die Ehre, an seine Männlichkeit, wenn seine Frau sexuell mit einem anderen Mann verbunden
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