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Weiberregiment

Weiberregiment

Titel: Weiberregiment
Autoren: Terry Pratchett
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den hiesigen Abort bestellt sein? Der für Männer daheim, auf der anderen Seite des Hofes, war schlimm genug. Polly hatte jeden Morgen zwei Eimer Wasser hineingekippt und dabei versucht, nicht zu atmen. Seltsames grünes Moos wuchs auf dem Schieferboden. Und die »Herzogin« war ein gutes Wirtshaus. Seine Gäste zogen ihre Stiefel aus, bevor sie zu Bett gingen.
    Polly kniff die Augen zusammen. Der dumme Narr vor ihr – ein Mann, der eine lange Augenbraue die Arbeit von zweien erledigen ließ – servierte ihnen Spülwasser und Essig, bevor sie in den Krieg zogen…
    »Diefef Bier schmeckt wie Pferdepiffe«, sagte Igor.
    Polly wich zurück. Das waren tödliche Worte, selbst in einem Gasthaus wie diesem.
    »Ach, damit kennst du dich aus?«, fragte der Wirt und ragte bedrohlich vor dem Jungen auf. »Hast schon mal Pferdepisse getrunken, was?«
    »Ja«, bestätigte Igor.
    Der Wirt schüttelte die Faust vor seinem Gesicht. »Jetzt hör mir mal gut zu, du lispelnder kleiner…«
    Ein dünner schwarzer Arm erschien erstaunlich schnell, und eine blasse Hand griff nach der Faust des Wirts. Plötzlicher Schmerz brachte Bewegung in die eine Braue.
    »Die Sache ist folgendermaßen«, sagte Maladikt ruhig. »Wir sind Soldaten der Herzogin, habe ich Recht? Sag einfach ›Aargh‹.«
    Er musste zugedrückt haben. Der Wirt stöhnte.
    »Danke. Und was du uns als Bier servierst, lässt sich bestenfalls als schmutziges Wasser bezeichnen«, fuhr Maladikt im gleichen Plauderton fort. »Ich trinke natürlich keine… Pferdepisse, aber ich habe einen hoch entwickelten Geruchssinn und möchte lieber darauf verzichten, die Dinge zu benennen, die ich in dieser Flüssigkeit rieche, und deshalb begnügen wir uns mit dem Hinweis auf ›Rattenkot‹, einverstanden? Ein Wimmern genügt. Herzlichen Dank.« Am Ende der Theke übergab sich einer der beiden Jungen. Die Finger des Wirts waren weiß geworden. Maladikt nickte zufrieden.
    »Einen Soldaten Ihrer Hoheit in Kriegszeiten kampfunfähig zu machen, läuft auf Hochverrat hinaus«, sagte er und beugte sich vor. »Und die Strafe dafür ist der… Tod.« Maladikt sprach dieses Wort mit einem gewissen Entzücken aus. »Aber wenn es hier noch ein anderes Fass gibt, eins mit gutem Bier, mit dem Bier, das du für deine Freunde reserviert hast… Ich schätze, dann können wir diesen kleinen Zwischenfall vergessen. Ich lasse jetzt dein Handgelenk los. Deine Augenbraue verrät mir, dass du ein Denker bist, und du denkst gerade daran, einen großen Knüppel hervorzuholen. Stattdessen solltest du über das schwarze Band nachdenken, das ich trage. Weißt du, was es bedeutet?«
    Der Wirt schnitt eine Grimasse und ächzte: »Die Liga der Enthaltsamkeit…«
    »Genau! Bravo!«, sagte Maladikt. »Und noch ein Gedanke für dich, wenn du dafür genug Platz hast. Ich habe mich nur verpflichtet, kein Menschenblut zu trinken. Es ist mir
nicht
verboten, dir einen solchen Tritt zwischen die Beine zu geben, dass du taub wirst.«
    Er ließ die Faust los. Der Wirt richtete sich langsam auf. Unter der Theke lag
bestimmt
ein kurzer Holzknüppel, wusste Polly. Es gab ihn in jedem Gasthaus. Selbst ihr Vater hatte einen. Er nannte den Knüppel eine große Hilfe in Zeiten von Sorge und Verwirrung. Sie sah, wie die Finger der noch einsatzfähigen Hand zitterten.
    »Du solltest auf ihn hören«, sagte Polly. »Ich glaube, er meint es ernst.«
    Der Wirt entspannte sich. »Hier liegt ein kleines Missverständnis vor, Jungs«, brummte er. »Hab das falsche Fass geholt. Nichts für ungut.« Er wankte fort, und man konnte die klopfenden Schmerzen in seiner Hand fast sehen.
    »Ich habe doch nur gefagt, daff ef wie Pferdepiffe schmeckt«, sagte Igor.
    »Er wird keinen Ärger machen«, wandte sich Polly an Maladikt. »Von jetzt an ist er dein bester Freund. Ihm ist klar, dass er dich nicht schlagen kann, deshalb wird er dein bester Kumpel sein.«
    Maladikt richtete einen nachdenklichen Blick auf sie. »
Ich
weiß das«, sagte er. »Aber woher weißt
du
es?«
    »Ich habe in einem Gasthaus gearbeitet«, erwiderte Polly und spürte, wie ihr Herz schneller schlug, wie immer, wenn sich Lügen ansammelten. »Dabei lernt man die Leute kennen.«
    »Als was hast du gearbeitet?«
    »Als Kellner.«
    »Gibt es noch ein Wirtshaus in diesem Kaff?«
    »Nein, ich bin nicht von hier.«
    Polly stöhnte beim Klang ihrer eigenen Stimme und wartete auf die Frage: »Wieso bist du dann hierher gekommen, um Soldat zu werden?« Aber die Frage blieb aus.
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