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Weiberregiment

Weiberregiment

Titel: Weiberregiment
Autoren: Terry Pratchett
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jetzt… Man konnte nicht sagen, dass gute Dinge geschahen,
    aber wenigstens keine schlechten. Die alten Frauen murrten noch
    immer, aber man ließ sie murren. Niemand wusste, wohin es ging.
    Niemand hatte eine Karte. Niemand war sicher, wer die
    Entscheidungen traf. An jeder Straßenecke wurde diskutiert und
    debattiert. Es war erschreckend und aufregend. Jeder Tag brachte
    Neues. Polly trug eine von Pauls alten Hosen, als sie im Wirtshaus den
    Boden wischte, und dabei hörte sie kaum ein »Harrumpf« von
    jemandem. Und die Mädchenschule war abgebrannt, und am gleichen
    Tag hatten zwei dünne Maskierte eine Bank überfal en. Pol y hatte
    gelächelt, als sie davon erfuhr. Knal er war in die »Herzogin«
    eingezogen. Ihr kleiner Sohn hieß Jack. Paul war ganz in ihn vernarrt.
    Und jetzt…
    Jemand hatte in der Männertoilette wieder an die Wand gekritzelt.
    Pol y konnte es nicht abwaschen, deshalb beschränkte sie sich darauf,
    die Anatomie zu korrigieren. Dann spülte sie den Ort mit zwei Eimern
    Wasser sauber, zumindest nach den Maßstäben eines Wirtshausklos,
    und hakte diese Aufgabe wie an jedem Morgen ab. Als sie ins Gasthaus
    zurückkehrte, sah sie dort einige Männer, die mit ihrem Vater sprachen.
    Sie wirkten ein wenig besorgt, als Pol y hereinkam.
    »Was ist los?«, fragte sie.
    Ihr Vater nickte dem Zahnlosen Abbens zu, und alle wichen ein
    wenig zurück. Angesichts von Spucke und Mundgeruch wol te niemand
    Abbens besonders nahe sein, wenn er sprach.
    »Die Rübenfrescher fangen wieder an!«, sagte er. »Schie wol en in
    unscher Land einfallen, weil der Prinz meint, dasch wir ihm gehören!«
    »Er betont, dass er ein entfernter Cousin der Herzogin ist«, sagte
    Pollys Vater.
    »Aber wie ich hörte, ist die Sache noch nicht geklärt!«, erwiderte Pol y.
    »Außerdem gibt es einen Waffenstillstand!«
    »Offenbar will er die Schache klären«, nuschelte Abbens.
    Der Rest des Tages verging schneller. Auf den Straßen kamen Leute
    zu aufgeregten Gesprächen zusammen. Eine Menge versammelte sich
    am Tor des Rathauses. Ab und zu kam ein Schreiber nach draußen und
    heftete ein neues Kommuniqué ans Tor – die Menge schloss sich
    darüber wie eine Hand und öffnete sich anschließend wie eine Blume.
    Mit den El enbogen bahnte sich Pol y einen Weg nach vorn, schenkte
    dem Gemurre um sie herum keine Beachtung und las die
    Bekanntmachungen.
    Es war der alte Kram. Man rekrutierte wieder. Die gleichen alten
    Worte. Das gleiche Gekrächze seit langem toter Soldaten, die die
    Lebenden aufforderten, sich ihnen hinzuzugesel en. General Schnitz
    mochte eine Frau sein, aber sie hatte auch »etwas von einem alten
    Weib«, wie es Bluse vielleicht ausgedrückt hätte. Entweder das, oder das
    Gewicht der Epauletten beschwerte sie.
    Küsse währen nicht lange. Sicher, die Herzogin war vor ihnen
    lebendig geworden und hatte die Welt für einige Zeit auf den Kopf
    gestel t, und viel eicht hatten al e beschlossen, bessere Menschen zu
    sein, und das Vergessen hatte ihnen eine Atempause beschert.
    Aber dann… War es wirklich geschehen? Selbst Pol y fragte sich das
    manchmal, und sie war dabei gewesen. War es nur eine Stimme in ihren Köpfen, eine Art Hal uzination? Hatten Soldaten in verzweifelten
    Situationen nicht Visionen von Göttern und Engeln? Irgendwann
    während des langen Winters war das Wunder verblasst, und die Leute
    hatten gesagt: »Ja, aber wir müssen praktisch denken.«
    Wir haben nur eine Chance bekommen, dachte Pol y. Kein Wunder,
    keine Rettung, keine Magie. Nur eine Chance.
    Innerlich in Aufruhr kehrte sie zum Wirtshaus zurück, und dort
    wartete ein Paket auf sie. Es war ziemlich lang und schwer.
    »Es ist auf dem Karren den ganzen weiten Weg von Skritz
    gekommen«, sagte Knal er aufgeregt. Sie hatte in der Küche gearbeitet.
    Inzwischen war es ihre Küche. »Was wohl drin ist?«, fragte sie, jedes Wort ein auffordernder Wink.
    Pol y öffnete die Holzkiste und stellte fest, dass sie mit Stroh gefül t
    war. Ein Brief lag darauf.
    Er enthielt eine Ikonographie. Sie schien recht teuer zu sein und
    zeigte eine steife Familiengruppe mit Vorhängen und einer Topfpflanze
    im Hintergrund, um der ganzen Sache Stil zu geben. Links stand ein
    stolz aussehender Mann in mittleren Jahren, rechts eine Frau etwa im
    gleichen Alter; sie wirkte ein wenig verwirrt, aber auch froh über die
    Zufriedenheit ihres Mannes. Überal waren Kinder, von groß und
    schlaksig bis klein und süß. Sie lächelten und schielten, und
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