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Weg mit den Pillen

Weg mit den Pillen

Titel: Weg mit den Pillen
Autoren: Harald Walach
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eindringlicher ins Blickfeld der Forschung. Für unser Thema äußert sich das so: Wir können unser Erbe nur sehr schwer beeinflussen, aber wir können unsere Umwelt, unser Verhalten und die Umstände bestimmen, unter dem unser Erbe sich ausdrückt. Die Betonung dieses Buches liegt genau auf dem, was
wir selbst tun können, vielleicht sogar sollen, um die Bedingungen fürs Gesundbleiben zu schaffen und dem Organismus dabei zu helfen, Gesundheit wiederherzustellen, wo sie temporär verloren gegangen ist. Dies ist vergleichbar mit einem Figur-Grund-Wechsel. Wir können dieses Prinzip am Beispiel von Abbildung 1 nachvollziehen: Man kann das Bild als eine Vase oder als zwei Frauen betrachten, die sich ansehen; es ist immer dasselbe Bild. In diesem Buch geht es um diesen Figur-Grund-Wechsel. Was geschieht, wenn wir das, was wir bislang als das Wichtigste angesehen haben (das aktive, kausale Eingreifen in einen Krankheitsprozess), einmal in den Hintergrund stellen und das, von dem wir dachten, es sei nebensächlich (die Selbstheilungskräfte des Organismus) ins Zentrum? Wenn wir uns Fragen zuwenden, die sich aus der komplementärmedizinischen Erfahrung ergeben, aus der Placeboforschung oder aus dem Bereich der Meditationsforschung? Wir müssen den Blick verändern und auf das schauen, was wir bislang nicht beachtet haben. Vielleicht, so meine Vermutung, müssen wir sogar den gesamten Denkrahmen ändern. Warum und wie das geht, sehen wir im nächsten Kapitel.
    Abb. 1 : Vase oder Frauen? 4

3.
Wir sehen nur, was wir kennen
    Wir sehen nur, was wir kennen und erwarten. Es gibt ein berühmtes kleines Video, das ich gerne zeige, um diese Behauptung zu illustrieren. 5 Es stammt von der Arbeitsgruppe »kognitive Psychologie« an der Harvard University 6 . Weil Sie hier ein Buch vor sich liegen haben und keinen Bildschirm, kann ich das Video hier nur erklären und Sie ermuntern, es sich selbst anzuschauen. Nur wird dann leider der Effekt weg sein. Daher müssen Sie mir jetzt bitte einfach glauben, dass das, was ich jetzt sage, stimmt.
    Auf diesem kurzen, knapp zweiminütigen Video spielen auf sehr engem Raum vor einem Lift zwei kleine Gruppen von je drei Studenten mit einem Ball. Eine Mannschaft trägt weiße Trikots, die anderen drei haben schwarze Hemden an. Jede Gruppe hat einen Basketball. Den passen die Spieler über den Boden oder über die Luft einem Mitglied ihrer eigenen Gruppe zu. Weil der Raum so eng ist, laufen sie durcheinander und es ist nicht ganz einfach zu sehen, was geschieht. Wenn man nun dieses Video ansieht, ohne dass man auf irgendetwas Spezielles achtet, dann sieht man, wie ein weiterer Akteur auftritt. Es ist jemand, der ein schwarzes Gorilla-Kostüm trägt. Er stellt sich mitten ins Bild, trommelt sich auf die Brust, und geht dann langsam und ohne Hektik nach links aus dem Bild. Währenddessen spielen die anderen weiter und laufen um den Gorilla herum.
    Wenn man nun dieses Video präsentiert und dazu verkündet, es handle sich um eine relativ schwierige Aufmerksamkeitstestung – die Aufgabe sei, die Anzahl der Ballpässe nur der weißen Mannschaft zu zählen –, dann geschieht fast immer Folgendes: Das Publikum starrt wie gebannt auf die weißen Spieler und zählt. Dabei wird der ganz offensichtlich auftretende Gorilla von fast allen Betrachtern übersehen. Warum ist das so? Unsere Aufmerksamkeit wird durch die Vorgabe »Zählen Sie die Pässe der weißen Mannschaft« so fokussiert, dass sie alles andere ignoriert. Wir übersehen dann buchstäblich das, was vor unseren Augen liegt.

    Wir sehen also nur, was wir kennen und erwarten. Das liegt daran, dass unsere Evolution als Organismen vor dem Hintergrund stattfand, uns in einer komplexen Umwelt möglichst rasch, energiesparend und sicher bewegen zu müssen. So ist auch unser gesamter Wahrnehmungs- und Denkapparat aufgebaut. Anders als es viele populäre Beschreibungen darstellen, ist unser Wahrnehmungsapparat kein Fotoapparat oder Mikrofon, die ein getreues optisches oder akustisches Abbild unserer Umgebung entwerfen, und unser Gedächtnis ist keine Computerfestplatte, auf der Daten in immer der gleichen Weise aufgezeichnet sind, nach Bedarf abrufbar. Unsere Wahrnehmung und unser Gedächtnis sind konstruktiv . Das heißt, sie bauen aktiv ein Bild der Umwelt auf, wenn wir wahrnehmen, und ebenso, wenn wir uns erinnern. Unsere Aufmerksamkeit spielt dabei eine zentrale Rolle.
    Technische Systeme, zum Beispiel ein LCD-Fernseher, bauen Bilder punktweise auf.
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