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Was Pflanzen wissen

Was Pflanzen wissen

Titel: Was Pflanzen wissen
Autoren: Daniel Chamovitz
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dass sich ihre Aktivität durch Besprühen mit einer ganzen Reihe von verschiedenen Substanzen erhöhten ließ – selbst mit Wasser.
    Braam machte unverdrossen weiter und versuchte herauszufinden, warum diese Gene sogar durch Wasser aktiviert wurden. Sie hatte ein wahres Heureka-Erlebnis, als sie erkannte, dass der gemeinsame Faktor bei allen Behandlungen die physische Sinneswahrnehmung des Besprühtwerdens mit den Lösungen war. Braam stellte die These auf, dass die Gene, die sie entdeckt hatte, auf die physische Behandlung der Blätter reagierten. Um das zu testen, führte sie ihren Versuch fort, besprühte die Pflanzen jetzt aber nicht mehr mit Wasser, sondern berührte sie nur. Zu ihrer Befriedigungwurden dieselben Gene, die durch das Besprühen mit dem Hormon oder Wasser aktiviert worden waren, jetzt auch durch die Berührung angesprochen. Braam begriff, dass ihre neugefundenen Gene eindeutig durch Berührung (engl. touch ) aktiviert wurden, und nannte sie passenderweise »TCH genes« (Berührungsgene). 42
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    CODIEREN UND TRANSKRIBIEREN – WIE GENE FUNKTIONIEREN
    Um die Bedeutung der Berührungsgene besser zu verstehen, muss man sich kurz näher ansehen, wie Gene im Allgemeinen funktionieren.
    Die DNA, die sich im Kern einer jeden Zelle findet, aus denen eine Arabidopsis -Pflanze besteht, enthält etwa 25 000 Gene. Sie bilden den genetischen Code. Auf der einfachsten Ebene codiert jedes Gen für ein einziges Protein. Obwohl die DNA in allen Zellen gleich ist, enthalten verschiedene Zellen unterschiedliche Proteine. Beispielsweise enthält eine Zelle in einem Blatt andere Proteine als eine Zelle in der Wurzel. Die Blattzelle enthält Proteine, die Licht für die Photosynthese absorbieren, während die Wurzelzelle Proteine enthält, die ihr helfen, Mineralstoffe aus der Erde aufzunehmen. Verschiedene Zelltypen enthalten deswegen unterschiedliche Proteine, weil darin jeweils unterschiedliche Gene aktiv sind. Nur von den jeweils aktiven Genen einer Zelle werden RNA-Kopien erstellt (diesen ersten Schritt bei der Übermittlung der Erbinformation nennt man Transkription); erst sie werden dann zu Proteinen umgeschrieben.
    Während nun manche Gene in allen Zellen transkribiert werden (zum Beispiel diejenigen, die für die Erzeugung von Membranen benötigt werden), werden die meisten Gene nur in einer spezifischen Untergruppe von Zelltypen transkribiert. Während also jede Zelle das Potenzial hat, jedes der 25 000 Gene zu aktivieren, sind tatsächlich in einem bestimmten Zelltyp nur einige tausend Gene aktiv. Noch komplizierter wird die Lage dadurch, dass viele Gene auch von der äußeren Umgebung kontrolliert werden. Manche Gene werden in Blättern erst transkribiert, wenn die Blätter blaues Licht gesehen haben. Manche werden mitten in der Nacht transkribiert, andere nach einer Hitzeperiode, manche nach einem Bakterienangriff, wieder andere nach einer Berührung.
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    Was sind nun diese Berührungsgene? Die ersten TCH -Gene, die Braam identifiziert hat, codieren für Proteine, die bei den Calciumsignalen in der Zelle eine Rolle spielen. Wie wir schon gesehen haben, gehört Calcium zu den wichtigen Salz-Ionen und reguliert sowohl die elektrische Ladung einer Zelle als auch die Kommunikation zwischen Zellen. Bei Pflanzenzellen trägt Calcium dazu bei, den Druck auf die Zellwand aufrechtzuerhalten (wie in den Pulvini bei der Mimose), und ist selbst auch Teil der Zellwand. Calcium ist bei Menschen und Tieren unentbehrlich für die Weiterleitung elektrischer Signale von einem Neuron zum nächsten,und es ist außerdem für die Muskelkontraktion notwendig. Noch wissen wir erst bruchstückhaft, wie Calcium so vielfältige Phänomene gleichzeitig regulieren kann, aber es wird intensiv daran geforscht.
    Was Wissenschaftler schon wissen, ist, dass nach einer mechanischen Stimulierung – etwa, wenn ein Zweig geschüttelt wird oder wenn eine Wurzel auf einen Stein trifft – die Calciumkonzentration in einer Pflanzenzelle rasch stark ansteigt und dann abfällt. Diese Spitze in der Calciumkonzentration beeinflusst die elektrische Spannung in der Zellmembran, aber auch vielfältige Zellfunktionen direkt. Calcium dient hier als »sekundärer Botenstoff« oder Mediatormolekül, das Informationen von bestimmten Rezeptoren an spezielle Ziele weiterleitet. Für sich alleine kann freies, lösliches Calcium Reaktionen kaum wirksam auslösen, denn die meisten Proteine können Calcium nicht direkt binden. Daher agiert Calcium sowohl
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