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Was mehr wird wenn wir teilen - Vom gesellschaftlichen Wert der Gemeingueter

Was mehr wird wenn wir teilen - Vom gesellschaftlichen Wert der Gemeingueter

Titel: Was mehr wird wenn wir teilen - Vom gesellschaftlichen Wert der Gemeingueter
Autoren: Elinor Ostrom Silke Helfrich
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»Gefangenendilemma«* oder die Metapher von der »Tragik der Allmende«* Bezug zu nehmen.
    Jahrzehntelange Forschung im Labor und in der Praxis stellt die Allgemeingültigkeit des Gefangenendilemma-Modells und der Metapher von der »Tragik der Allmende« infrage. Forscher, die sich auf diese Bilder stützen, kommenschnell zu dem Schluss, dass Nutzer der Allmende unausweichlich in eine Klemme geraten, aus der sie sich nicht selbst befreien können. Daraus folgert man, dass externe Autoritäten Verordnungen zur Nutzung lokaler Ressourcen erlassen und durchsetzen müssen. Als wären die Nutzer nicht selbst dazu in der Lage. Diese Sicht der Dinge, nach der die Ressourcennutzer in einer selbst verschuldeten Tragödie gefangen sind, steht im Einklang mit überholten Lehrmeinungen der Ressourcenökonomie und mit den Grundannahmen der nicht-kooperativen Spieltheorie*. Auch moderne Analysen der Politikwissenschaft gehen häufig von der Vorstellung aus, dass optimale Regeln zur Ressourcennutzung von oben nach unten durchgesetzt werden müssen. Hierbei schert man die unterschiedlichen Gemeinressourcen und vielfältigen Nutzergruppen über einen Kamm, was ungerechtfertigt ist. Man nutzt vereinfachende Modelle, die zu der Grundannahme verleiten, staatliche Behörden seien in der Lage, eine wirkungsvolle Lösung für eine gesamte Region zu entwickeln, immer in der Annahme, der Staat handele stets im Interesse der Allgemeinheit. Am Ende stehen politische Empfehlungen zum Ressourcenmanagement im Einklang mit den Kernaussagen solcher Forschungseinrichtungen. Dadurch wird versucht, staatliches Handeln wissenschaftlich zu legitimieren.
    Unsere Forschung zeigt hingegen, dass es ein Irrweg ist, zentrale Lösungen für die Ressourcennutzungsprobleme einer großen Region von oben nach unten durchzusetzen. Feldstudien in aller Welt belegen, dass lokaleNutzergruppen mitunter ganz allein, manchmal auch mit Unterstützung von außen, vielfältige Regeln für die kooperative Nutzung ihrer Ressourcen entwickeln. Natürlich gibt es auch etliche Fälle, in denen derartige Selbstorganisation scheitert. Doch das veranlasst uns nur zur Schärfung unserer Fragestellung, die lautet:
    Warum ist Selbstorganisation in einigen Fällen erfolgreich und in anderen nicht?
    Wenn wir mehr darüber in Erfahrung bringen, welche Faktoren Selbstverwaltung stärken und welche sie schwächen, dann können wir auch wirkmächtigere Institutionen entwickeln. Institutionen, die präzise Informationen liefern und transparente und faire Konfliktlösungsmechanismen anbieten, die die Risiken fair verteilen und die Bemühungen der Nutzerinnen und Nutzer vor Ort gezielt unterstützen.
    Dazu benötigen wir Fallstudien. Konkrete Fallstudien zeigen, dass die Übernutzung von Gemeinressourcen keineswegs unvermeidbar ist. Nehmen wir folgendes Beispiel. In zahlreichen Studien über nepalesische Bewässerungssysteme konnten wir zeigen, dass Systeme, die von den Bauern selbst gebaut und gepflegt werden, im Durchschnitt besser in Schuss sind und mehr Wasser für die Landwirtschaft liefern als jene, die vom Staat verwaltet werden. Auch die Wasserzuteilung ist in den traditionellen, selbst verwalteten Systemen gerechter als in moderneren Systemen, die von einer Behörde kontrolliert werden. Also stellt sich die Frage: Wie ist es möglich, dass »primitive« Bewässerungssysteme eindeutig mehr leisten als moderne? Immerhin wurden Letzteredurch unverwüstliche Stahlbetonkonstruktionen stabilisiert, sie wurden bis in jedes Detail finanziert und geplant sowie von professionellen Ingenieurbüros gebaut.
    Viele Faktoren kommen hier ins Spiel. Zu den wichtigsten gehören die unterschiedlichen Anreize für die Beteiligten, sowohl in den selbst als auch in den fremd organisierten Systemen. Dies gilt im gesamten Prozess: in Finanzierung, Planung, Bau, Betrieb und Wartung. In den selbst verwalteten Bewässerungsanlagen bestimmen die Bauern, die zugleich die Ressourcennutzer sind, ihre Regeln selbst. Diese Regeln setzen externe Anreize oft außer Kraft, insbesondere dann, wenn sie im konkreten physischen und kulturellen Umfeld perverse Auswirkungen haben. Selbstbestimmte Regeln können für Außenstehende nahezu unsichtbar sein, vor allem, wenn sie von den Nutzern sehr gut angenommen werden. Sie halten sie dann einfach für wenig bemerkenswert. Wenn man also wissen will, wie vielfältig Selbstorganisationsformen heute sind, und wenn man verstehen will, wie Commons-Institutionen unter den jeweiligen
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