Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Was man so Liebe nennt

Was man so Liebe nennt

Titel: Was man so Liebe nennt
Autoren: David Baddiel
Vom Netzwerk:
die grünen Augen mit den Sprenkeln, genau passend zu ihrer Haut, und er kombinierte diese Züge mit ihrem rollenden, streichelnden Akzent: Irisch. Ihre Nase war gerade und ein wenig zu schmal, aber die Nasenflügel, die ein Gesicht entweder verschönern oder vergröbern, waren perfekte Ovale.
    »Und deshalb dürfen Sie mir nicht die Preise der Sachen nennen, die Sie entworfen haben?« Er hörte das leichte Trällern in seinem Ton und war überrascht, sich beim Flirten zu ertappen, was nicht seine Art war, selbst in seinen kurzen Phasen als Single nicht und nie, wenn er liiert war, denn Untreue kam in seinem Lexikon nicht vor.
    Emma lächelte und öffnete ihren ungeschminkten Mund, wobei unaggressiv regelmäßige Zähne zum Vorschein kamen, menschliche Zähne. Deborahs übereinanderstehende winzige spitze Pyramiden erinnerten Joe immer ein ganz klein wenig an einen Wolf. Emmas Lächeln war eine großzügige Antwort auf einen so läppischen Scherz, und ihm fiel auf, daß ihre Augen mitspielten, sich nicht distanzierten wie bei Leuten, die nur aus Höflichkeit lächeln.
    »Ich fürchte, ich weiß die Preise einfach nicht«, sagte sie und blickte durch den Torbogen, die Linie ihres Profils geschwungen wie von einem Pinselstrich. »Paul. Paul!« Vorn im Laden rührte sich nichts. »Tut mir leid«, sagte sie und lächelte wieder, diesmal entschuldigend, »er macht sich immer aus dem Staub ohne Bescheid zu sagen.« Sie glitt von ihrem hohen Stuhl hinter dem diagonal gestellten Zeichentisch. »Wofür interessieren Sie sich denn?«
    Zusammen kämpften sie sich durch das Möbelgeröll zur Vorderseite des Ladens. Emma trug Latzhosen, worin Joe im ersten Moment eine alternativ-feministische Normerfüllung sah, aber als sie jetzt vor ihm her ging, wirkte ihr Körper darin wie das Gegenteil, ein wahnsinnig sexy Kontrast zwischen weich und fest, Form und Formlosigkeit.
    »Für das Sofa im Fenster, das, was nur eine Armlehne hat...«
    »Ah... Kompliment! Guter Geschmack!« Sie sagte es natürlich ironisch, aber als sie sich zu ihm umdrehte, sah er das Fünkchen Anerkennung in ihren Augen. Sie traten vom verschwommenen Dämmer der Werkstatt ins hellere Ladenlicht, und da enthüllte ihr Haar seine wahre Farbe, aschblond. Sie hatte es oben auf dem Kopf mit einer glitzernden schwarzen, schmetterlingsförmigen Haarspange festgesteckt, aus der es kreuz und quer wie blonde Palmwedel herauswippte und ihr in Strähnen übers Gesicht fiel.
    »Ist wohl ein Entwurf von Ihnen?«
    »Meine schönste Arbeit.«
    Joe stand hinter dem Sofa, betrachtete die geschwungenen Linien roten Samts und die absichtsvoll verschrobene Eisenkonstruktion der einzigen Armlehne. Er bückte sich, um es näher zu inspizieren, ganz unwillkürlich tat er das, weil man das eben machte, wenn man größere Objekte kaufte, wie Männer, wenn sie einen Gebrauchtwagen in Augenschein nehmen. Er spürte, daß sie ihn beobachtete, und hoffte, daß sein mausbraunes Haar, das er seit kurzem in einem radikalen Kurzhaarschnitt trug, oben am Kopf nicht wirklich so dünn war, wie er fürchtete. Über den Sofarücken hinweg sah er draußen vor dem Schaufenster Passanten vorübergehen, was Joe an diese lustigen Kinderbücher denken ließ, wo man die obere und untere Bildhälfte jeweils austauschen kann. Ein irgendwie angespanntes Schweigen lag plötzlich zwischen ihnen, aber Joe konnte nicht sagen, ob die Spannung sexueller oder ökonomischer Natur war.
    »Hm — solange ich nicht drauf gesessen habe, kann ich mir natürlich kein richtiges Urteil bilden«, sagte er, sich im klaren, wie banal die Bemerkung war, aber ratlos, wie man sich im Sofakaufbereich geistreich ausdrückt.
    Emma blickte zu ihm hinunter, und eine winzige Spur Spott spielte um ihren Mund. »Na, dann machen Sie’s doch.«
    »Was?«
    »Bedienen Sie sich. Setzen Sie sich drauf.«
    Eine kurze Pause folgte, während der Joe sich aus seiner Hockstellung hochwand und für eine zweite platte Bemerkung rüstete.
    »Aber es steht doch im Fenster.«
    »Na und?«
    »Na, wenn ich mich ins Fenster setze, halten mich die Leute für ’ne Schaufensterpuppe.«
    Emma lachte und runzelte gleichzeitig die Stirn. »Wie lange haben Sie denn vor, drauf zu sitzen?«
    Mit gespielter Nachdenklichkeit rollte Joe den Kopf hin und her.
    »Ich weiß es nicht. Es lohnt sich ja nicht, mich drauf zu setzen, ohne auszuprobieren, ob ich mich darauf entspannen kann, und ich weiß nicht, wie lange ich dazu brauche, mich in aller Öffentlichkeit zu
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher