Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Was ist koscher - Jüdischer Glaube

Was ist koscher - Jüdischer Glaube

Titel: Was ist koscher - Jüdischer Glaube
Autoren: Paul Spiegel
Vom Netzwerk:
Gewinde der komplexen Problematik noch ein wenig weiter: Inzwischen gibt es innerhalb des progressiven Judentums Gruppen, die ein Kind, das nur einen jüdischen Vater hat, als ebenso jüdisch akzeptieren wie das einer jüdischen MuĴ er. Die Begründung ist klar: Da wir heute ohne weitere Probleme bestimmen können, wer der Vater ist, ist die alte Regelung nicht mehr bindend, veraltet und überholt.
    Für die Orthodoxie, natürlich nicht nur in Israel, ist das inak-zeptabel.
    Und so beginnt allmählich etwas, was Juden seit jeher zu vermeiden suchten, ein AuseinanderdriĞ en der GemeinschaĞ . Denn genau darum ging es in den Jahrtausenden der Verfolgung, in den Jahrtausenden, als man als Minorität in einer nichtjüdischen MehrheitsgesellschaĞ überleben wollte.
    Wie kann eine ethnische, religiöse oder kulturelle Minderheit überleben? Es gibt nur einen Weg – ein Regelwerk zu schaff en, das sowohl den AustriĴ als auch den EintriĴ in die GemeinschaĞ sehr schwer, wenn nicht gar unmöglich macht. Insofern haben die strikten Defi nitionen, die strengen ÜbertriĴ srege-lungen durchaus ihren Sinn gehabt, und ganz gewiss tragen sie zum Erhalt des Judentums bei.
    Dass diese Radikalisierung ein Ergebnis der Diaspora ist, lässt sich klar aus der Thora erkennen. Zunächst einmal – und das darf man nie vergessen: Der erste Konvertit war ja kein Geringerer als Abraham selbst! Er war Sohn eines Götzenver-käufers, und erst als er die Stimme des Einen und Einzigen 26
    PюѢљ Sѝіђєђљ
    WюѠ іѠѡ јќѠѐѕђџӓ
    hörte und ihr folgte, wurde er zum »Juden«, zum Hebräer, indem er auf Geheiß GoĴ es sich und alle männlichen Begleiter als Zeichen des Bundes zwischen ihm und GoĴ beschniĴ !
    Ein Konvertit hat also einen sehr hohen Stellenwert im Judentum. Es heißt, dass man einen Konvertiten höher achten soll als einen Juden, der seit seiner frühesten Kindheit bis hin zu seinem Tod alle Mitzwot strengstens eingehalten und er-füllt hat. Warum? Er wurde als Jude geboren, hat einfach nur die Gesetze befolgt, ohne sich dieses »Befolgen« erarbeitet zu haben. Ein Konvertit hat sich aber vorher Gedanken gemacht und ist aus eigener geistiger und seelischer KraĞ dazu gekommen, das Wort GoĴ es zu hören und somit das Joch der Mitzwot auf sich zu nehmen. Dieser Mensch hat eine größere geistige, seelische, religiöse und ethische Leistung vollbracht als der Fromme, der als Baby in eine chassidische Familie hi-neingeboren wurde!
    Doch zurück zur Radikalisierung der Konversionsregelun-gen in Zeiten der Diaspora.
    Lesen wir die Thora aufmerksam, so sehen wir, dass die meisten jüdischen Führer eine Frau aus einem anderen Stamm zur Ehefrau nahmen. Das gilt sogar für Moses und König David. David selbst ist ein Nachkomme der Konvertitin Ruth, nicht zu vergessen. Und die SchriĞ sagt, dass der Messias ein Nachkomme aus dem Hause Davids und somit ein sehr weiter Nachkomme einer Konvertitin sein wird!
    Dass die jüdischen Führer und Könige immer wieder Nichtjüdinnen zur Frau nahmen, haĴ e zunächst einmal ganz banal demographische Gründe. Zu Beginn der jüdischen Geschichte gab es ja noch nicht so viele Jüdinnen. Dann aber, und das ist in unserem Zusammenhang entscheidend, war es keine große Aff äre, eine Nichtjüdin oder einen Nichtjuden 27
    PюѢљ Sѝіђєђљ
    WюѠ іѠѡ јќѠѐѕђџӓ
    zu heiraten. Diese oder dieser musste sich nur zu dem Einen und Einzigen bekennen und waren damit Teil des jüdischen Volkes geworden, oder, wie man bis heute über Konvertiten sagt: »Sie sind in das jüdische Volk eingetreten.«
    Erst in Zeiten der Diaspora wurde man strenger, damit zu viele »Mischehen« nicht die jüdische Identität, um es modern auszudrücken, gefährdeten. Wir sehen in den SchriĞ en Esras, dass die Rückkehrer aus der babylonischen GefangenschaĞ
    nach Zion gezwungen werden sollten, sich von ihren nichtjüdischen Ehepartnern und sogar Kindern zu trennen. Das war die Forderung der religiösen Führer damals! Dass dies in der Praxis so nicht umzusetzen war, versteht sich, doch immerhin – es ist dies ein erstes Zeichen, dass in der Diaspora Mischehen sehr häufi g waren und dass daraus die Angst re-sultierte, das Judentum könne in ein, zwei Generationen untergegangen sein.
    Wer ist Jude? Sollte der Leser, der bis hierhin brav durchge-halten hat, diese Frage immer noch nicht – oder jetzt erst recht nicht mehr – so richtig beantworten können, so mag er sich trösten. Er befi ndet sich in
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher