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Was geschah mit Angelika H.

Was geschah mit Angelika H.

Titel: Was geschah mit Angelika H.
Autoren: Thomas Ziegler
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alle guten Vorsätze und konzentrierte sich auf die dringlichen Probleme.
    Und eins davon hieß Bikshu Arupa.
    Ein Mann, der sich den Lebensunterhalt mit dem Mixen von Gemüsesäften verdiente, war natürlich schon per definitionem suspekt, aber was ihn höchstverdächtig machte, war seine panikartige Flucht aus dem Krishna. Was hatte er zu verbergen? Warum wollte er nicht über Angelika Hilling befragt werden? Er dachte an das, was ihm Ma Vadenta gesagt hatte, und seine Besorgnis nahm zu. Sie hatte Angelika Hilling seit Wochen nicht mehr gesehen. Sicher, dafür konnte es eine harmlose Erklärung geben, doch harmlose Erklärungen waren genau das, was er nicht brauchen konnte.
    Markesch streifte seine abgewetzte Lederjacke über und verließ das Haus. Auf der anderen Straßenseite, vor dem Weingeschäft, kehrte eine Frau einen kleinen Berg zerbrochener Dachpfannen zusammen, die der Sturm während der Nacht abgedeckt hatte. Der Morgen war völlig windstill, als hätte das Unwetter eine Atempause eingelegt, um später mit doppelter Kraft erneut zuschlagen zu können, und die Wintersonne war ein kalter, trüber Fleck hinter grauen, zerrissenen Wolkenbänken.
    Während er zum Café Regenbogen am Ende des Blocks schlurfte, um sich mit einem Frühstück aus Scotch und Toast für die bevorstehende Begegnung mit Bikshu Arupa zu stärken, dachte er mit Wehmut an die Winter seiner Kindheit, die die Bezeichnung Winter noch verdient hatten. Wenn die Kinder von heute zu Weihnachten Schnee und Eis erleben wollten, mußten sie schon in eine Tiefkühltruhe kriechen. Kein Wunder, daß aus ihnen dann neurotische Teenager wurden, die in ihrem Wahn einen gutaussehenden Mann in den besten Jahren für die Vorhut der Seniorenbrigade hielten.
    Und als wären seine Gedanken ein geheimes Signal gewesen, möglicherweise sogar auf spirituellem Wege übertragen, trat eine betörend schöne Brünette mit Schlafzimmeraugen und Schmollmund aus dem Café, Sophie, die blutjunge Tageskellnerin des Regenbogens, Kehrschaufel und Besen in den Händen und Mordlust im Gesicht.
    Markesch blieb abrupt stehen.
    Die breite Fensterfront des Regenbogens war mit einer häßlichen Sperrholzplatte vernagelt und der Bürgersteig davor war ein einziges Scherbenmeer.
    Ihn demonstrativ ignorierend, begann Sophie die Glasscherben aufzufegen. Hinter der Sperrholzplatte erklangen derweil dumpfe griechische Flüche – zweifellos stammten sie von Archimedes, der den Verlust seiner Schaufensterscheibe betrauerte.
    »Muß ja ein toller Sturm gewesen sein«, brummte Markesch. »Hi, Sophie. Ich schätze, jetzt ist nicht der richtige Zeitpunkt, dir einen guten Morgen zu wünschen, was?«
    Er lachte gutgelaunt.
    Sophie warf ihm einen ihrer Killerblicke zu, für die jeder andere freiwillig einen Waffenschein beantragt hätte, und fegte mit der Sturheit eines Panzers weiter.
    »Genau darauf habe ich gewartet«, sagte sie zähneknirschend zu den Scherben. »Daß die Toten auferstehen und mir schon am frühen Morgen auf den Geist gehen. Wieso ist das unerlaubte Sichentfernen vom Friedhof eigentlich nicht verboten? So was müßte doch mit sofortiger Feuerbestattung bestraft werden. Asche zu Asche, das wäre was. Und die Urne könnte man sich sparen. Ein Aschenbecher tät’s auch – und dann ab zur letzten Ruhe in den nächsten Mülleimer.«
    Sie fuchtelte wütend mit dem Besen. Markesch hatte nicht das Gefühl, daß sie großen Wert auf seine Gegenwart legte, und um ihrem Schaffensdrang nicht im Weg zu stehen, schlüpfte er an ihr vorbei und durch die Tür ins Café.
    »Du liebe Güte!« sagte er. »Das sieht hier aber gar nicht gut aus!«
    Es sah tatsächlich nicht gut aus. Es sah sogar danach aus, als hätten gewisse kriminelle Arschlöcher ihre böse Drohung wahrgemacht und eine Elefantenherde durchs Café getrieben. Tische und Stühle bildeten ein wüstes Gewirr und waren derart beschädigt, daß sie im besten Fall noch als Kaminholz dienen konnten, die Glasregale hinter dem Tresen waren zersplittert, die schwere Espressomaschine lag auf der Seite und sah aus, als hätte jemand sie mit einem Schmiedehammer bearbeitet, und um die Verwüstung perfekt zu machen, waren sämtliche Spirituosenflaschen zertrümmert oder ausgegossen.
    Es stank wie in einer Schnapsbrennerei.
    Archimedes saß in sich zusammengesunken auf dem Tresen, eine Flasche Ouzo in der Hand, die auf wundersame Weise der Zerstörung entgangen war, und sah mit glasigen Augen ins Leere.
    In Markesch stieg die Wut
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