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Was bisher geschah

Was bisher geschah

Titel: Was bisher geschah
Autoren: Loel Zwecker
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Jahrhunderts in den USA die reichsten zehn Prozent ungefähr die Hälfte des Volkseinkommens haben, das reichste Prozent rund ein Fünftel, dann entspricht dies etwa wieder den Werten der ersten zwei Jahrzehnte des 20. Jahrhunderts. Damals konnten sogenannte Räuberbarone (robber barons) wie Andrew Carnegie und John Rockefeller weite Teile der Industrie kontrollieren und ähnlich brutal mit kleineren Konkurrenten, mit Arbeitnehmern und Gewerkschaftlern umspringen wie heute multinationale Konzerne in Entwicklungsländern.
    Die aktuelle Zunahme der Einkommensunterschiede hängt auch mit einem Paradigmenwechsel in der Ökonomie in den siebziger Jahren zusammen. Zwar hatte seit Mitte der dreißiger Jahre innerhalb der westlichen Marktwirtschaft der Keynesianismus großen Einfluss, der staatliche Eingriffe zur Stützung der Konjunktur und Finanzspritzen zur Ankurbelung der Nachfrage favorisiert. Auch weil John Maynard Keynes (1883 – 1946) kein Mittel gegen die Inflation hatte, gewann jedoch die andere große Ökonomen-Schule des 20. Jahrhunderts mit ihrem Hauptvertreter Milton Friedman (1912 – 2006) an Boden. Friedmans Richtung wird als neoliberal bezeichnet, weil sie auf den Analysen des Wirtschaftsliberalismus bzw. der klassischen Schule um Adam Smith, David Ricardo und Jean-Baptiste Say aufbaut. Sie propagierten in Zeiten der Industrialisierung den Freihandel und behaupteten, dass es – auch international – eine Art natürlichen Ausgleich zwischen Angebot und Nachfrage gebe. Obwohl Adam Smith selbst durchaus für eine Kontrolle des Handels war, verwandte er die Formel von der »unsichtbaren Hand«, die eine langfristige Selbstregulierung des Marktes bezeichnete. Gemäß dem Neoliberalismus erfolgt eine Regulierung der Volkswirtschaft nun primär über die Geldmenge, welche die Zentralbanken zum Beispiel verringern, um eine Inflation zu vermeiden (Monetarismus); insgesamt sollen die Märkte durch eine Deregulierung belebt werden.
    Konkret umgesetzt wurden neoliberale Ideen Anfang der siebziger Jahre mit dem Abschied vom Bretton-Woods-System. Es hatte feste Wechselkurse und den Goldstandard des Dollars beinhaltet, die Bindung und garantierte Eintauschbarkeit der Währung gegen das Edelmetall als (relativ) realem, nicht nur nominellem Wert. Mit der Auflösung der Regelungen erleichterte man die weltweite Spekulation mit Devisen, Wertpapieren und Derivaten. Seit den achtziger Jahren macht die Finanzwirtschaft ein Vielfaches der Realwirtschaft aus. Grundsätzlich dient sie auch zur Versorgung der sogenannten Realwirtschaft mit Geld und zur Absicherung ihrer Risiken. Das Finanzsystem stößt allerdings immer wieder an seine Grenzen. Etwa wenn alle auf IT- oder Immobilienwerte spekulieren und Geld in bestimmte Bereiche pumpen, bis die Blase platzt, weil einige Anleger ihre Raten nicht mehr bezahlen können oder nicht mehr an die Sache glauben und ihr Geld zurückhaben wollen.
    Im Sinn des Neoliberalismus sollten Steuersenkungen für Wohlhabende dazu führen, dass sie investieren, ihr Geld im Rahmen einer angebotsorientierten Ökonomie in produktive Unternehmungen fließen lassen und Arbeitsplätze sichern. Der Aufschwung, der in den achtziger Jahren stattfand, war allerdings besonders externen Faktoren wie Energiepreisen zu verdanken – und in Asien der Tatsache, dass von staatlicher Seite bestimmte Investitionen und Industrieentwicklungen gefördert wurden. Im Westen brachte der neoliberale Kurs keine Verbesserung für Einkommensschwache, wie es gemäß der trickle-down -Theorie (trickle = »durchsickern«) von den Regierungen Reagan und Thatcher behauptet wurde. Heute leben in den USA, der reichsten Industrienation vor Japan, rund 40 Millionen sogenannte working poor . Diese überarbeiteten, aber unterbezahlten Malocher wohnen zum Teil in Wohnwagen und haben keine Krankenversicherung.
    Auch in Ländern Europas drohen Einkommensunterschiede zu Beginn des 21. Jahrhunderts die Gesellschaft zu spalten und den sozialen Frieden zu stören. Weltweit werden die ärmsten zehn Prozent der Bevölkerung immer ärmer, die reichsten immer reicher. Ein Fünftel der Weltbevölkerung besitzt vier Fünftel des Reichtums und diktiert meist die Preise. Während Handel und Wirtschaftskraft in den westlichen Ländern nach dem Krieg exponentiell gewachsen sind, stagnieren viele Länder der Dritten Welt. Die Zinsen ihrer Auslandsschulden übersteigen oft die Entwicklungshilfe, die sie erhalten. Sowohl die EU als auch die USA haben durch
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