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Was am See geschah

Was am See geschah

Titel: Was am See geschah
Autoren: Martha Grimes
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Schoß. Und ohne mit ihm zu sprechen, blickte sie auf das Wasser und sah, daß es ruhig war, ganz ruhig, und niemand war da außer einem Mann - sie sah sein weißes Jackett schimmern -, der drüben am Dock stand und eine Zigarette rauchte. Sie sah eine winzige Glut, einen Lichtpunkt von der Größe eines Stecknadelkopfs, der aufblinkte und wieder erlosch. Aber der Mann war zu weit weg, als daß man ihn hätte rufen können, er hätte genausogut da oben in der schwarzen Nacht in einem Flugzeug sitzen können, dessen blinkendes rotes Licht ihr verriet, daß Menschen irgendwohin flogen, an Orte, zu denen sie ihnen nicht folgen konnte - zurück an die Universität, in die Stadt, zu jenem Zimmer, dessen Balkon über dem Meer hing.
    Maud strich immer und immer wieder über das Kleid. Zwei Tränen liefen ihr übers Gesicht, fielen auf das Kleid. Frau Dr. Hooper.
    »Nein, Wade. Ich glaub nicht, daß ich Ihr Kleid anprobieren möchte. Trotzdem vielen Dank.«
    Elizabeth Hooper würde nie wieder in La Porte Halt machen, nie wieder an der Theke sitzen und Kuchen essen, nie wieder ihren Sohn besuchen.

4
    S am hatte den Wagen nicht angelassen, hatte überhaupt nichts gemacht. Wirklich dumm, es sich mit Sedgewick zu verderben. Aber jeder hat seine Grenzen, dachte er sich, und er hatte es satt, vor einem blöden Arschloch wie dem Sheriff den Kotau zu machen.
    Er ließ den Motor an, als wüßte er, wo er hinwollte, und ließ ihn laufen.
    Wenn es sein Kind gewesen wäre... Er dachte an Wade. Versteinert, schweigsam, außer, daß er immer und immer wieder den Mord an seiner Tochter durchkaute. Kein Wunder. Was würde einem Menschen wohl sonst durch den Kopf gehen, nachdem so etwas passiert war?
    Sam dachte plötzlich an Rosie. Er dachte an Rosie, wie sie in der Mittagspause die Fifth Avenue hinunterspazierte, in die Schaufenster guckte, ein spanisches Tuch beäugte - leuchtend rote und orange Farbspritzer für ihr rotgoldenes Haar -, ein Stück, das sie sich mit großer Geste über die Schulter werfen konnte, wenn sie in der linden Luft einer jener vollkommenen Frühlingstage, derer sich sogar New York City erfreut, die Fifth Avenue hinunterfegte.
    Plötzlich hatte er einen Krampf in der Hand, ließ die Zigarette fallen und merkte dabei, daß er an ein imaginäres Mädchen gedacht hatte. Sie beobachtet hatte, diesem leuchtenden spanischen Tuch gefolgt war, getragen von einem Mädchen, das nicht einmal existiert hatte, ehe er Maud seinen Namen nannte. Es hatte nie eine Rosie gegeben.
    Sam trat mit dem Absatz die Zigarette aus und fragte sich, ob er Maud-meschugge wurde? Maud-Mediterranea-meschugge? Er lächelte. Diese Vorstellung und das Lächeln rüttelten ihn wieder wach, genug jedenfalls, um sich die ganze verdammte Sache noch einmal durch den Kopf gehen zu lassen.
    Er lehnte den Kopf an die Kopfstütze zurück, schloß die Augen und dachte über die Frauen nach. Für ihn waren sie alle verschieden. Tony Perry mochte vielleicht durch und durch eine Hure gewesen sein (wenn er das Wort auch verabscheute), eine Frau mit Kindern, um die sie sich wenig oder gar nicht kümmerte. Loreen Butts war laut Mutter schüchtern und ruhig; laut Ehemann manchmal schwierig im Umgang; laut Boy Chalmers dito. Carl Butts war meist unterwegs und überließ es ihr, den Sohn zu versorgen. Nicht, daß der je viel Fürsorge genossen hätte... Sam runzelte die Stirn. Wie konnte man Elizabeth Hooper überhaupt mit ihnen vergleichen? Oder auch Nancy Alonzo? Nancy war eine Einheimische, sicher; aber das war auch alles, was sie mit der Perry und der Butts gemeinsam hatte. Er zündete sich eine Zigarette an; seine Stirnfalten vertieften sich. Aber Moment mal. Ja - ja, sie ließ sich schon mit ihnen vergleichen, denn auch sie hatte ihren Sohn und ihren Mann im Stich gelassen. Eunice Hayden. Eunice war nicht vergewaltigt worden, nein... Und doch, er wußte, daß all diese Morde vom gleichen Mann begangen worden waren; das war genauso sicher wie die Tatsache, daß seine Scheinwerfer Zwillingsspuren dunstigen Lichts durch den Wald legten, Bäume, Unterholz und Felsen in Abschnitte unterteilten. Was hatten die Opfer gemeinsam, außer daß sie - mit Ausnahme von Eunice - Kinder hatten?
    Sie alle hatten Kinder. Sie alle hatten Kinder, die viele Leute bestenfalls als vernachlässigte und schlimmstenfalls als mißhandelte Kinder charakterisiert hätten.
    Der Gedanke blieb einfach haften. Hmm, das war lächerlich. Die meisten Frauen hatten Kinder; und da war schließlieh
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