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Was am See geschah

Was am See geschah

Titel: Was am See geschah
Autoren: Martha Grimes
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sich. Am Pier spürte man den Nachhall, das Schwappen des aufgewühlten Wassers, ehe es wieder glatt und nahtlos hinter den Booten zusammenströmte.
    Maud steckte eine Olive auf einen Cocktailspieß. Die Schüssel mit den Oliven stand auf dem Holzfaß, das sie hinter dem Haus gefunden hatte. Der Spieß stammte aus einer kleinen, flachen Sechserpackung, die sie unter der Dachschräge entdeckt hatte. Jeder einzelne war noch einmal sorgfältig in eine kleine weiße Halterung aus Pappe gedrückt gewesen. Sie waren aus durchsichtigem Glas mit rosa Glasflamingos am oberen Ende, gehörten eben zu jenen Dingen, die man sich nie selber kaufen, sondern höchstens verschenken würde. Dieser Spieß hier war allerdings weder benutzt noch verschenkt worden.
    Ein weiteres kleines Boot trudelte drüben am Dock ein. Inzwischen waren es mindestens ein Dutzend, mehr als sonst, da heute Labor Day gefeiert wurde. Die Gäste kamen natürlich nicht alle mit dem Schiff; die meisten reisten wohl über irgendeine Landstraße auf der anderen Seite des Hauses an.
    Jetzt stiegen die Partygäste aus dem silbrig-weißen Boot. Maud war zu weit von ihnen entfernt, um erkennen zu können, was sie tatsächlich anhatten - sie sah nur ein paar goldene und blaue Kleckse aufscheinen -, aber sie wußte, daß einige von ihnen lange Abendkleider trugen, was sicherlich das Aussteigen erschwerte. Die hohen, trillernden Stimmen der Frauen, die kurzen Lacher der Männer, die ihr Auftauchen aus dem silbernen Kokon begleiteten, suggerierten ihr, daß sie ihre Kleider schürzten, damit die Säume nicht durchs Wasser schleiften. Andere kamen mit ihren Gläsern und Zigaretten zum Dock herunter - sie sah, wie die Enden immer wieder aufglühten. Sie halfen den Neuankömmlingen an Land, und dann zogen alle gemeinsam wieder in Richtung Terrasse zum Fest. Sie fragte sich, wo die späten Gäste hergekommen waren. Ob weiter unten noch eine Party stattfand, die wichtiger war? Das war kaum anzunehmen. Wahrscheinlich kamen sie von ihren kleinen Cocktailpartys in ihren kleineren Ferienhäusern, wo sie sich kurz getroffen hatten, um schließlich hierherzukommen.
    Diese Szene wiederholte sich endlos, bis der dunkle See drüben gleichsam von den Lichtstreifen der Boote zerschnitten war, so vielen, daß man manchmal meinte, dort sei ein kleiner Hafen.
    Maud war immer überzeugt gewesen, daß das keine gewöhnlichen Menschen waren, daß sie auf irgendeine Weise im höchsten Maße vom Glück begünstigt waren, als befänden sie sich für wenigstens eine Saison in einem Zustand der Gnade. Sie kam nie tagsüber ans Pier, um zu schauen, wie das Haus da drüben dann aussah. Und sie wußte, dies war die letzte Party, die Labor-Day-Party, denn La Porte war in erster Linie ein Ferienort, wo die Sommergäste die Läden der großen viktorianischen Häuser gleich Ende Mai, nach dem Memorial Day, aufstießen und sie Anfang September nach dem Labor Day wieder zuzogen. Dann wurde La Porte zu einer Geisterstadt. Wenn man Shirl so reden hörte, war es das ganze Jahr über eine Geisterstadt; die Sommerfrischler kamen in ihren Shorts und Docksiders, verkatert und braun, wie es nur die Reichen zu werden scheinen, und taten kaum mehr als die Sonntagszeitung und Milch einzukaufen.
    »Wo ist das Lagerhaus, das möcht ich mal wissen«, grummelte Shirl in ihrer Rauchwolke. »Die haben alle zu essen in diesen Seehäusern - wo kriegen die das her? Hat einer von denen ’nen Hubschrauberlandeplatz, oder was? Kaviar, Champagner, gebratener Fasan - fliegen die das alles ein?«
    Maud hielt ihr Glas am Stiel. Sie haßte es, Martini aus einem warmen Glas zu trinken, und ehe sie sich einen neuen mixte, schob sie das Glas ins Eis, um es wieder zu kühlen. Die Verandatüren drüben waren jetzt alle geöffnet, und sie konnte die Leute tanzen sehen. Manchmal spielte eine Live-Band draußen auf der Terrasse; an den anderen Tagen mußte es wohl eine Stereoanlage sein. Es tröstete sie, daß sie Cole Porter mochten, so wie das Buch in ihrem Schoß sie tröstete. Es war wie eine Party in der Vergangenheit, ein Fest wie in den zwanziger oder dreißiger Jahren, zu dem vielleicht ihre verstorbenen Eltern gegangen wären und dann auf »Begin the Beguine« getanzt hätten.
    Ein paar Partygäste - sie mußte die Augen zusammenkneifen, um sie zu erkennen - waren zum Tanzen auf die riesige Terrasse herausgetreten. Gelächter und zersplitterndes Glas.
    Sie nahm ihr Glas aus dem Eimer, schenkte sich einen Drink nach und ließ eine
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