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Warum unsere Kinder Tyrannen werden

Titel: Warum unsere Kinder Tyrannen werden
Autoren: Michael Winterhoff
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Erklärungsmuster wie »schwierige Kindheit«, »kaputte Familie« oder »ungünstiges soziales Umfeld« nicht greifen.
    Schwierigkeiten bereiten zunehmend Kinder und Jugendliche, deren Eltern vom ersten Tag an liebevoll mit ihnen umgehen, für jeden gut gemeinten Erziehungsratschlag dankbar sind und innovative pädagogische Konzepte in die Tat umzusetzen versuchen. Auch der Täter von Emsdetten kam, nach allem, was wir wissen, aus einer funktionierenden Familie, war ein guter Schüler. Dass er als Einzelgänger bekannt war, musste ja nicht zwangsläufig zum Amoklauf führen.
    Doch zurück zu den Mechanismen, die in solchen Fällen üblich sind. Die Reaktion, die innerhalb der Gesellschaft in der vergangenen Zeit auf dieses Phänomen zu beobachten ist, setzt in der Hauptsache auf eine Pädagogikdebatte. Schwer unter Beschuss geraten ist dabei die so genannte 68er-Generation, also all jene, die aus der Not einer ganz spezifischen Generationserfahrung, dem Ausbruch aus als zu eng empfundenen Fesseln der Erziehung und Disziplin, eine Tugend gemacht zu haben schienen: Konzepte antiautoritärer Erziehung, überhaupt eine scheinbar totale Ächtung des Autoritätsbegriffes, waren lange Zeit Konsens unter all jenen, die im pädagogischen Bereich tätig waren. Auch bei den Eltern war oft eher die »lange Leine« angesagt, um nicht die gleichen Fehler zu machen, die man bei den eigenen Eltern als prägend erfahren hatte.
    Vielfach ist derzeit eine radikale Umkehr zu beobachten. Erziehungsratgeber empfehlen zunehmend mehr Strenge und Konsequenz in der Erziehung, der berühmte »Klapps
auf den Hintern« ist wieder diskussionsfähig geworden, wobei die derzeitige Tendenz häufig genug dahin geht, dass eben jener »noch niemandem geschadet habe«. Eine derzeit durchaus salonfähige Feststellung, die, unabhängig davon, ob sie richtig oder falsch ist, noch vor nicht allzu langer Zeit für große Empörung gesorgt hätte.
    Ob »Klapps« oder nicht »Klapps«, eines scheint in der gegenwärtigen Diskussion über jeden Zweifel erhaben: Der Schlüssel zu einer Änderung im Zustand unserer Kinder und Jugendlichen liegt in einer neuen Padägogik und darauf aufbauenden didaktischen Modellen. Es wird indes nicht gesehen, dass man es sich damit zu einfach macht. Natürlich kann man »Alte Pädagogik« und »Neue Pädagogik« gegenüberstellen und daraus banale Erkenntnisse formulieren wie etwa die, dass es für Kinder besser sei, manchmal ein »Nein« zu hören, oder auch Entscheidungen in einem kommunikativen Prozess zu finden, anstatt einfach den Anweisungen des Lehrers zu folgen und diese auszuführen. Kaum jemand wird diesem Ansatz, der hier nur stellvertretend für viele weitere Ideen einer »Neuen Pädagogik« steht, widersprechen. Nur: Was braucht das Kind, um diese kommunikative Leistung überhaupt erbringen zu können? Wie ist der Lärmpegel und das sowohl Lehrer als auch Mitschüler missachtende Kommunikationsverhalten vieler Schüler heute mit solchen Ansätzen in Einklang zu bringen?
    Ich verfolge demgegenüber einen grundlegend anderen, und vor allem neuen Gedanken, um in der Sackgasse der aktuellen Debatte kehrt zu machen und nach neuen Wegen zu suchen, die schließlich auch zu sinnvollen pädagogischen Bemühungen führen können. Um diese Wege zu finden, muss man sich auf das Feld der Tiefenpsychologie und der Psychiatrie begeben.

    Ich verstehe meine Ausführungen somit keinesfalls als Beitrag zur Diskussion um eine wie auch immer geartete »Neue Pädagogik«. Sie sind auch nicht als Erziehungsratgeber misszuverstehen. Ich fordere vielmehr, sich endlich darauf zu besinnen, dass die Debatten um Erziehungsmodelle, Schulformen, pädagogische Konzepte in Kindergärten und Horten solange wirkungslos bleiben werden, bis wir begriffen haben, welche Grundvoraussetzung all diese Dinge brauchen: nämlich eine psychische Reife unserer Kinder, auf deren Grundlage alles Weiterführende überhaupt erst greifen kann.
    Viele der in diesem Buch beschriebenen Fallbeispiele aus den Bereichen Kindergarten, Schule und Heim werden ihnen als Leser bekannt vorkommen, entweder aus eigener - leidvoller - Erfahrung oder aus den Erzählungen von Bekannten und Freunden, die ganz ähnliche Situationen erlebt haben und immer wieder erleben. Es ist in diesem Zusammenhang
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