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Warum Liebe Weh Tut

Warum Liebe Weh Tut

Titel: Warum Liebe Weh Tut
Autoren: Eva Illouz
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den Transformationen eben der Beurteilungsmethoden zu tun, auf die Anerkennung angewiesen ist, das heißt mit ihrer Verfeinerung (ihrer Ausgefeiltheit) und ihrer Individualisierung. Die Klassenzugehörigkeit und sogar der »Charakter« gehörten einer Welt an, in der die Kriterien der Wertzuschreibung bekannt waren, öffentlich angewendet wurden und von jedermann beurteilt werden konnten. Sozialer Stand, Wert und Charakter waren öffentlich – das heißt objektiv – begründet und Allgemeingut. Weil die soziale Geltung jedoch performativ geworden ist, weil also Geltung im Medium individualisierter Geschmäcker ausgehandelt 228 werden muß, und weil sich die Geltungskriterien individualisiert haben, sieht sich das Selbst neuen Formen von Unsicherheit ausgesetzt. Individualisierung ist eine Quelle der Unsicherheit, weil die Kriterien zur Beurteilung anderer aufhören objektiv zu sein, also nicht länger der Prüfung durch verschiedene soziale Akteure mit gemeinsamen sozialen Kodes unterliegen. Statt dessen werden sie zum Resultat einer privaten und subjektiven Geschmacksdynamik.
    So sind etwa »Sex-Appeal« und »Attraktivität«   – selbst wenn sie den Kanons öffentlicher Schönheitsbilder folgen   – restlos einer individualisierten und von daher relativ unberechenbaren Geschmacksdynamik unterworfen. »Attraktivität« als Hauptkriterium für die Partnerwahl macht die Dynamik der Anerkennung insofern erheblich komplizierter, als sie neue Unsicherheiten schafft, weil eine individualisierte Attraktivität Männern und Frauen kaum eine Möglichkeit läßt, vorauszusagen, ob sie einen potentiellen Partner für sich gewinnen und/oder sein Begehren aufrechterhalten werden. Obwohl es kulturelle Modelle und Prototypen der Attraktivität gibt, hängt es von einer hochgradig individualisierten Dynamik der Geschmäcker und der psychologischen Vereinbarkeit ab, ob man als »begehrenswert« empfunden wird, und ist insofern schwer einzuschätzen. Die Kriterien für Attraktivität verlieren in dem Maß an Klarheit, in dem sie verfeinerter (wesentlich spezifischer) und subjektiver werden (von der idiosynkratrischen psychologischen Veranlagung der Person abhängen, die eine Wahl trifft).
    In modernen romantischen Beziehungen ist Anerkennung so entscheidend wie komplex, weil Geltung performativ bestimmt wird, weil der Anerkennungsprozeß hochgradig individualisiert worden ist und zu einer Vervielfachung und somit Unberechenbarkeit der Kriterien der Partnerwahl geführt hat. Dies wiederum läßt die Liebe im selben Moment zum Terrain ontologischer Unsicherheit und Ungewißheit schlechthin werden, in dem sie zum zentralen Schauplatz 229 für die Erfahrung von (und das Verlangen nach) Anerkennung wird.
    So behauptet beispielsweise der bereits in Kapital 2 zitierte Daniel, ein 50jähriger Mann, der ein gerüttelt Maß an Selbstsicherheit ausstrahlt:
     
    DANIEL : Die Liebe ist etwas Großartiges, aber auch anstrengend. Wobei die Schwierigkeit keine des Leidens ist, sondern eine des Zaubers. Ebenfalls schwierig ist, daß es keine Gewißheit gibt. Man ist niemals sicher. Beziehungen sind nicht mit einem Vertrag zu vergleichen.  [Schwierig] auf alltäglicher Basis ist es, wenn ich die Zuversicht verliere, die Liebe zu bekommen, die ich brauche.
    INTERVIEWERIN : Was kann dieses Gefühl bei Ihnen auslösen?
    DANIEL : Wenn ich nicht die richtigen Signale bekomme. Die Signale, die anzeigen, daß ich geliebt werde. Sie hat mir zum Beispiel eine SMS geschickt, in der sie sich Sorgen um mich macht. Das hat mich sehr glücklich gemacht. Dann schickte ich ihr eine SMS und bat sie, mich über ihren Tag auf dem Laufenden zu halten. Sie sagte OK , und dann kriege ich nachts diese E-Mail: »Habe Besuch. Wir sprechen morgen. Schlaf gut.« Und das bringt mich aus dem Gleichgewicht. Ich habe dann jedes einzelne Wort analysiert und zu hinterfragen versucht.  […] So etwas kann mich zum Weinen bringen, es läßt mich nicht kalt.
    Obwohl dieser Mann beruflich höchst erfolgreich ist, ist sein Selbstgefühl bedroht, wenn es nicht angemessen von seiner Partnerin anerkannt wird, weil, wie er selbst es darstellt, die Liebe ein ununterbrochener Fluß von Zeichen und Signalen ist, die den Wert des Selbst absichern. Es gilt, das Vermögen, Anerkennung in der Liebe zu produzieren und zu reproduzieren, regelmäßig zu inszenieren. Anerkennung ist mit anderen Worten nicht etwas ein für allemal Gegebenes, sondern eine komplexe symbolische Arbeit, die
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