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Warum gibt es alles und nicht nichts? - Precht, R: Warum gibt es alles und nicht nichts?

Warum gibt es alles und nicht nichts? - Precht, R: Warum gibt es alles und nicht nichts?

Titel: Warum gibt es alles und nicht nichts? - Precht, R: Warum gibt es alles und nicht nichts?
Autoren: Richard David Precht
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in der Verbindung mit Sicherheit. Wenn alle alles dürfen, wird das Zusammenleben schrecklich.
    Beim Verlassen des Mauerparks bin ich mir sicher, dass Oskar die Mauer jetzt mit etwas anderen Augen betrachtet als vorher. Wir haben heute vieles gelernt. Zum Beispiel, dass das Gefühl, viel machen zu dürfen, für Menschen wichtig ist. Es gehört zu den Dingen, auf die es im Leben ankommt. Selbst wenn man vieles von dem, was man tun kann, vielleicht gar nicht tut. Dann reicht oft bereits die Vorstellung, etwas machen zu können. Aber auf welche Dinge kommt es eigentlich noch an …?
    = Worauf kommt es im Leben an?

Auf dem Fernsehturm

    Worauf kommt es im Leben an?
    Wer hat den höchsten Fernsehturm? Eine Zeitlang, so schien es, kam es auf diese Frage an. Als Walter Ulbricht, der Staatschef der DDR , 1964 beschloss, den Berliner Fernsehturm zu bauen, ging es vor allem um eins: um das Ansehen in der Welt. Die Größe des Fernsehturms sollte die Größe des Sozialismus in der DDR weithin sichtbar machen. Wer so einen Fernsehturm bauen kann, der muss die weltbesten Ingenieure haben! Und diese Ingenieure, so träumte Ulbricht weiter, bringt nur das beste Staatssystem hervor.
    Lange Zeit wurde darüber gestritten und diskutiert, wie dieser Turm am Ende aussehen sollte. Fest stand nur, dass er weit oben eine Kugel bekommen sollte – zur Erinnerung an den kugelförmigen Satelliten » Sputnik«, den die Sowjetunion als erstes Land der Welt in den Weltraum geschossen hatte. Und diese Sputnik-Kugel sollte rot angestrahlt werden – in der Farbe des Sozialismus. Fünf Jahre später war der Turm fertig: 368 Meter hoch und damit der höchste Turm der Welt. Nur das Empire State Building in New York war noch höher. Am 7 . Oktober 1969 , pünktlich zum 20 . Jahrestag der Gründung der DDR , wurde er für das Publikum eröffnet. Doch rot angestrahlt wurde die Kugel nicht. Stattdessen schien die Sonne auf den Turm und malte auf den silbrigen Stahl ein helles Lichtkreuz. Die Ostberliner nahmen es mit Humor und nannten das Kreuz » Die Rache des Papstes«. Und andere verglichen den Turm mit einer Kirche und nannten ihn belustigt » St. Walter« – nach seinem Bauherrn Walter Ulbricht.
    Am wenigsten erfreut über den Turm war aber nicht die Bundesrepublik oder die USA , sondern die Sowjetunion. Zwar waren beide Länder politisch miteinander in Freundschaft verbunden. Aber dass die kleine DDR einen höheren Turm baute als die große Sowjetunion, ging natürlich nicht … Noch vor der Eröffnung des Ostberliner Fernsehturms weihten die Sowjets ihren eigenen Turm in Moskau ein – 537 Meter hoch und somit das höchste Gebäude der Welt. Das aber schmeckte den Ländern des Westens nun gar nicht. Bald darauf entstand ein noch höherer Fernsehturm in Toronto in Kanada – 553 Meter hoch. Und inzwischen wurde auch dieser Rekord übertroffen. Die asiatischen Länder China und Japan zeigten nun ihrerseits, was sie konnten. Die höchsten Fernsehtürme stehen heute in Guangzhou ( 600 Meter) und in Tokio ( 634 Meter).
    Auch wenn der Berliner Fernsehturm schon lange nicht mehr der höchste der Welt ist, so hat man aus seiner Kugel noch immer einen phantastischen Blick über die Stadt. Oskar mag den Fernsehturm, weil er ihn mit seiner futuristischen Form immer ein bisschen an Star Wars erinnert. Und so schauen wir aus unserer vorgestellten Raumschiffkapsel hinunter auf das Häusermeer, auf die vielen Straßen und die vielen, vielen Menschen, die als winzige Punkte umherwuseln auf der Suche nach ihrem Glück …
Sag mal, Oskar, ist es eigentlich wichtig, den höchsten Turm zu haben?
Nein.
Warum meinst du, war es den Politikern in der DDR dann so wichtig, den höchsten Turm zu haben?
Weil sie stolz waren. Weil sie sagen wollten: » Wir sind die Besten!« So angeberisch …
Ist es vielleicht wichtig, ein guter Angeber zu sein?
Nö.
Was meinst du, ist denn wichtig im Leben?
Ein normales Leben zu haben. Nette Eltern. Genug zu essen. Dass es allen Menschen gut geht …
Da ist was dran. Und wie wäre es, Oskar, wenn du keine Freunde hättest? Nicht den Ole und den Lorenz …
Das wär blöd. Freunde sind wichtig.
Und erinnerst du dich noch an den Benny im Kindergarten, der Krebs hatte …
Gesund sein! Ganz wichtig!
Und erinnerst du dich, wie ich dir vom Zweiten Weltkrieg erzählt habe? Dass der Opa und die Oma nachts aus ihren Betten gerissen wurden, um in den Bunker zu flüchten. Und welche Angst sie da hatten?
Frieden, Papa! Frieden ist auch wichtig.
Und
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