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Warum Burnout nicht vom Job kommt. - die wahren Ursachen der Volkskrankheit Nr. 1

Warum Burnout nicht vom Job kommt. - die wahren Ursachen der Volkskrankheit Nr. 1

Titel: Warum Burnout nicht vom Job kommt. - die wahren Ursachen der Volkskrankheit Nr. 1
Autoren: Random House
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auf meiner Einkaufsliste wird zu einer Entscheidungsqual.
    Und ein weiterer Umstand verschärft das Problem noch mehr: Jede Entscheidung für etwas ist immer auch eine Entscheidung gegen etwas. Diese Erfahrung nimmt bei einer stark gestiegenen Anzahl von Optionen deutlich zu. Wenn die Auswahl bei jeder Entscheidung immer größer wird und der Druck von außen, sich richtig zu entscheiden, immer weiter ansteigt, hängt von jeder einzelnen Wahl auch ein Stück meiner Identität ab.
    Wenn ich mich nun entscheide: Ich will zu den ökologisch bewussten Konsumenten gehören, dann empfinde ich zunächst einmal eine befriedigende Zugehörigkeit zu einer Gruppe, deren Werte ich weitgehend teile. Doch diese Grundentscheidung hat Folgen. Die Sache ist ja gar nicht so einfach: Wenn ich mich ernst nehmen will mit meinem ökologischen Bewusstsein, dann muss ich auch wissen, was denn in unterschiedlichen Situationen jeweils das ökologisch Beste ist. Sind PET-Flaschen nun öko, weil sie leichter zu transportieren sind, oder gerade nicht öko, weil sie giftige Inhaltsstoffe haben? Ist das Bio-Obst aus Israel mehr oder weniger öko als die Nicht-Bio-Sorten aus dem heimischen Landkreis? Und ist die Hin- und Rückfahrt mit dem Auto zum 10 Kilometer entfernten Bauernmarkt ein ökologischer Nachteil gegenüber dem Einkauf zu Fuß im Supermarkt um die Ecke? Ich muss außerdem die aktuellen Skandale der Lebensmittel- und Konsumgüterbranche kennen, um nicht aus Versehen ökologisch Bedenkliches zu kaufen. Ich muss mich über den jüngsten Stand der gesellschaftlichen Diskussion informieren: Sind Supermärkte generell Bösewichte? Oder nur manche? Sollte man besser beim Versender kaufen? Ist ökologisch zu konsumieren überhaupt nur Augenwischerei oder geht das wirklich? Und wie ist es eigentlich mit dem Preis-Leistungs-Verhältnis? Der ganze Bereich ist hochkomplex!
    Wenn ich diese Werte-Entscheidung für ein ökologischeres Leben also treffen will – bewusst oder unbewusst –, dann muss ich dauerhaft für die Zugehörigkeit zu der Gruppe der „ökologisch bewussten Konsumenten“ kämpfen; ich habe sie nicht per se. Ich muss ständig leisten und mir meine Rolle permanent formen. Und das gilt für alle modernen Rollen und Zugehörigkeiten: Es gibt keine dauerhaften Standardmuster mehr. Ich kann nichts mehr übernehmen, ich muss immer selbst ran, ich bin stets selbst verantwortlich dafür, wer ich bin: ob ich erfolgreich oder ein Loser bin, unglücklich, krank, hübsch oder hässlich, dick oder dünn: Immer bin ich selbst schuld, weil ich alles selbst entscheiden kann. „Tu, was du willst“, das Credo unserer multioptionalen Zeiten, beinhaltet auch: „Du musst erst mal wissen, was du willst. Und dann musst du es durchziehen!“
    Das hat uns weggeführt vom entspannten „Ich bin“ zum stressigen „Ich leiste, also bin ich“. Weg vom Sein-Dürfen, hin zum Tun-Müssen. Und eigentlich ist das etwas Unmögliches, eine Mission impossible : Wenn ich erst etwas leisten muss, um etwas zu sein, bin ich es ja gerade nicht. Da ich aber eigentlich das Angestrebte sein muss, um das Geforderte leisten zu können, heißt das: Ich muss etwas leisten, was ich gar nicht leisten kann, um etwas zu sein, was ich nicht bin.
    Das ist also die große, neue Freiheit.
    Die Emanzipationsbewegung der letzten Jahrzehnte hat die Autoritäten aus unserem Leben entfernt und uns von der Macht und der offen ausgetragenen Herrschaft der Eltern, der Lehrer, des Staats oder des Arbeitgebers befreit. Sie hat die Frauen aus der unterlegenen Position emporgehoben und den Männern in vielen Bereichen gleichgestellt, in manchen Bereichen sogar über den Mann gestellt. Aber es ist, als ob der Teufel mit dem Beelzebub ausgetrieben worden wäre: Die Befreiung schuf neue Unfreiheiten. Die Auflösung alter Dogmen und Zwänge schuf neue Dogmen und Zwänge, neue Erwartungen, neue Ansprüche. Und wir alle stehen unter viel größerem Druck als zuvor.
    Als bei der Fußball-WM 2011 der Damen die deutsche Nationalmannschaft so unerwartet frühzeitig ausschied, war das erleichterte Aufatmen etlicher Männer fast greifbar. Ich war verblüfft, als ich es bemerkte. Wie, sind das etwa alles Chauvinisten? Mitnichten! Die Frauen stehen so unter Druck, dass sie auch noch die letzten Bastionen der Männer einnehmen müssen, um sich nicht entwertet zu fühlen. Und die Männer stehen so unter Druck, dass sie es kaum mehr ertragen können, nun auch noch eine der letzten Männerbastionen aufgeben
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