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Waren Sie auch bei der Krönung?

Waren Sie auch bei der Krönung?

Titel: Waren Sie auch bei der Krönung?
Autoren: Paul Gallico
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und er ist wirklich ein Prachtkerl, wenn man ihn kennenlernt und er sich nicht gerade um eine Krönung kümmern muß, weil sich herausstellte, daß er bei dieser etwas furchtbar Amtliches war; er geleitete uns durch die Absperrung, besorgte uns einen Wagen und schickte uns nach Haus, doch nicht ehe er uns zum Krönungsball in der Albert Hall am nächsten Abend in seine Loge eingeladen hatte, und er sprach eine Menge von Händen, die sich über das Meer strecken, und ich bin überzeugt, er wird Swing einen Heiratsantrag machen — das tun alle — , und wenn er es tut, wird sie ihm hoffentlich erklären, daß sie mit dem Ambeok von Negotora, Sultan von Amu Penang verlobt ist, aber jedenfalls habe ich mein Lebtag noch nicht so viele reizende Menschen kennengelernt, und wir haben die Krönung doch gesehen, für praktisch keinen Cent und ohne jede Mühe, und trotzdem haben uns viele Leute, die wir später trafen, gesagt, es sei ihnen nicht einmal gelungen, auch nur den Zug zu sehen.

Der Krönungstag

Die Räder des Krönungssonderzugs von Sheffield, der am Krönungstag, dem 2. Juni 1953, um sechs Uhr früh im Londoner St. Pancras-Bahnhof eintreffen sollte, sangen ihr stetiges, einschläferndes Dickety-clax, Dickety-clax. Die Lokomotive, die die schwere Last durch die Landschaft zog, sandte, da sie sich einem Bahnübergang näherte, ein hysterisches Heulen in die regennasse Nacht. Niemand schlief in dem Abteil dritter Klasse, das von den fünf Mitgliedern der Familie Clagg und drei anderen Passagieren besetzt war, obwohl die Großmutter die Kinder unaufhörlich ermahnte, es doch zu versuchen, da ein langer, aufregender Tag vor ihnen lag.
    Gewiß, der eigenbrötlerische Herr mit der Melone, der in der Ecke saß, bemühte sich trotz allem einzunicken. Er hatte den Fensterplatz besetzt, auf den es der elfjährige Johnny Clagg, das ältere der beiden Kinder, abgesehen hatte. Johnny hätte gern dort gesessen, um den Versuch zu unternehmen, durch die schmutzigen, vom Regen gestreiften Fensterscheiben zu blicken und seine lebhafte, unternehmungslustige Phantasie allerlei Abenteuer im Dunkel erträumen zu lassen. Gelegentlich veranlaßte ihn ein von den Straßen in der Nähe aufblitzender Lichtkegel eines Autoscheinwerfers, sich in einen tollkühnen Meldereiter zu verwandeln, der die Nachricht, die das Regiment retten sollte, durch die feindlichen Stellungen trug. Er rückte ganz nahe an den Mann am Fenster heran, um sich besser vorstellen zu können, wie er in der stockfinstern Nacht durch den feindlichen Kugelhagel raste. Immer wieder mußte ihn seine Mutter mit der Mahnung zurückzerren: «Johnny, stoß doch nicht den Herrn; er möchte schlafen!»
    Johnny seufzte und gehorchte. Die Erwachsenen — sei es Mama, sei es Großmutter — zertrümmerten immer im dramatischsten Moment seine Phantasiegebilde.
    Seine Schwester Gwendoline, die sieben Jahre alt war, blätterte in den Seiten einer Festschrift mit Fotografien der Königin, die an diesem Tage gekrönt werden sollte.
    Sie trug ihr bestes Kleid, das ihr, obwohl der Saum ausgelassen worden war, etwas zu klein war. Mrs. Clagg hatte ihr rote, weiße und blaue Bänder in ihre zwei aschblonden Zöpfe geflochten, und diese aufgesetzten Farbtupfen gaben ihrem Aussehen einen erstaunlichen Reiz. Die großen, hellen Augen und Augenbrauen, die sie von ihrer Mutter hatte, und das kräftige Kinn, das sie von ihrem Vater geerbt hatte, ließen sie eher spitzbübisch als hübsch erscheinen.
    Gwendoline dachte an nichts anderes als an Elisabeth die Zweite. Schon Wochen vor der Krönung hatte die Königin tagsüber ihre Gedanken beherrscht und nachts bisweilen auch ihre Träume; in einem von diesen war sie sogar von ihr umarmt und liebkost worden. Nach ; dem Erwachen war sie damals still liegen geblieben und hatte an den wunderbaren Traum zurückgedacht, an das weiche, weiße Gewand, das die Königin getragen hatte und an die Schmetterlingskrone auf ihrem : Haupt. In einer Hand hatte sie einen Zauberstab getragen, mit einem Stern am Ende, und sie hatte einen himmlischen Duft ausgestrahlt.
    Ungeachtet des kargen gelben Lichts der abgeblendeten Lampen starrte Gwenny genauso fasziniert wie früher auf die Fotografie auf dem Umschlag des Büchleins. Sie beugte sich immer wieder nieder und preßte ihre Wange gegen die des Bildnisses der lächelnden, mit einer Krone geschmückten Königin auf der glatten Oberfläche des Kunstdruckpapiers und flüsterte: «Ich liebe dich!»
    Nicht etwa, daß das
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