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Wandlung

Wandlung

Titel: Wandlung
Autoren: A Baker
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Boden fallen und stand, von den Suchscheinwerfern geblendet, im ohrenbetäubenden Lärm der Bohrinsel, die sich eine Bahn durch die polare Eisschicht stanzte und auf sie zukam. Sie schloss die Augen. Eisstaub und Meeresgischt umhüllten sie.

     
    Sian saß im Führerhaus des Krans, neben ihr kauerte Punch.
    »Da«, brüllte er und wischte das Kondenswasser von der Scheibe. Sie sahen eine einzelne Gestalt auf dem Eis stehen, Jane, zu ihren Füßen zwei violett brennende Leuchtfackeln. »Lass den Haken runter.«
     
    Jane öffnete die Augen. Als der riesige Stahlhaken sich herabsenkte, machte sie einen Schritt nach vorn, um ihn in Empfang zu nehmen. Und wurde von einem Schneemobil angefahren und über das Eis geschleudert. Sie setzte sich auf, fragte sich kurz, ob ihre Hüfte gebrochen war, und sah sich um. Das Schneemobil kam schlitternd zum Stehen und wendete. Es war das Ski-doo aus dem Bunker, demnach hatte also Nail den Schlüssel eingesteckt.
    Mühsam kam Jane wieder auf die Beine und zog den Reißverschluss ihres Parkas auf. Nail hielt genau auf sie zu. Sie warf sich zur Seite und schleuderte dabei ihren Parka unter das Schneemobil. Der Parka verfing sich in den Raupenketten und blockierte sie; das Ski-doo kippte, und Nail wurde über das Eis geschleudert. Er rappelte sich wieder auf und lieferte sich mit Jane ein Wettrennen zum Haken. Jane erreichte ihn als Erste und ergriff die Kette. Nail packte sie, und beide gingen zu Boden. Er setzte sich auf Janes Brust und begann, sie zu erdrosseln; seine Lippen waren bereits schwarz angelaufen und hatten begonnen, sich in Metall zu verwandeln, seine rechte Augenhöhle war ein ausgebranntes Loch.
    Mit einer behandschuhten Hand drückte Jane sein Gesicht weg, packte eines seiner Beine und versuchte, ihn von sich herunterzukippen.
    Irgendetwas steckte in der Werkzeugtasche seiner Hose, Janes Messer.

    Sie bohrte ihm die Finger in sein noch verbliebenes Auge. Er stieß einen Schmerzensschrei aus, packte ihren rechten Arm und versuchte, ihn auszukugeln. Jetzt hatte sie das Messer in der linken Hand, ließ die Klinge aufschnappen und stieß es ihm in den Leib.
    Nail krümmte sich. Sie stieß ihn weg und sah nach oben. Sian hatte den Haken bereits wieder hochgezogen. Er baumelte jetzt fünfzig Meter über ihren Köpfen.
    Nail, der auf den Rücken gefallen war, sah den Haken hoch über sich hängen und erkannte, was sogleich passieren würde. Sein Aufschrei verschmolz mit dem Tosen des zersplitternden Eises.
    Sian betätigte den Auslöser, Zahnräder drehten leer, die Kette spulte ungehindert ab.
    Jane konnte sich gerade noch zur Seite wälzen, als der schwere Haken wie ein Faustschlag niederging, das Eis glatt durchschlug und von Nail nichts als einen feinen, rosigen Blutnebel übrig ließ.
    Sian ließ die Kupplung wieder einrasten und zog die Kette hoch. Der Haken tauchte wieder auf, Jane stieg darauf und wurde nach oben gezogen, ins Licht.
     
    Sian setzte sie auf einem Laufgang ab, wo Jane vom Haken herabstieg, strauchelte und stürzte.
    »Bist du verletzt?«, fragte Punch.
    »Ich hab mir die Hüfte geprellt«, sagte Jane. »Aber ansonsten bin ich okay, denke ich.« Sie blickte um sich. »Wo ist Ghost?«
     
    Während sie an der nördlichen Reling stand, sah Jane das arktische Eis allmählich zurückfallen, eine trostlose Landschaft, vom Mondlicht in gespenstisches Weiß getaucht.

    Sie sprach in ihr Funkgerät. »Ghost? Kannst du mich hören?«
    »Jane? Wo steckst du?« Das Signal war schwach. Ghost war irgendwo da draußen auf dem Eis, allein und im Dunkeln.
    »Ich hab’s geschafft. Ich bin wieder auf der Bohrinsel.«
    »Geht es euch gut?«
    »Wir sind alle wohlauf.«
    »Pass auf die beiden auf, ja? Das ist jetzt deine Mission. Sorg für die beiden und bring sie sicher nach Hause.«
    »Wir sind jetzt auf dem Weg. Das Eis haben wir hinter uns gelassen, und die Strömung trägt uns nach Süden. Es tut mir so leid. Aber es gibt nichts, was ich jetzt tun könnte.«
    Sie fuhr fort: »Diese letzten paar Wochen mit uns beiden, mit dir und mir, die hätte ich um nichts in der Welt missen wollen.«
    Ghosts Antwort ging im Knistern des weißen Rauschens unter, als sein Funkgerät außer Reichweite geriet.
    Jane erblickte das winzige Licht eines in weiter Ferne abgefeuerten Notsignals. Eine volle Minute glühte die Leuchtkugel tiefrot und erstarb dann, ein letzter Gruß von Ghost.
     
    Jane lag auf ihrer Koje und weinte. Stets bekam sie das Verliererblatt zugeteilt.
    Du wirst
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