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Wanderungen II. Das Oderland.

Wanderungen II. Das Oderland.

Titel: Wanderungen II. Das Oderland.
Autoren: Theodor Fontane
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und nun über Kloster Zellin hinaus; der Fluß wird schmäler, aber tiefer, und das Landschaftsbild verändert sich. Der Barnim liegt hinter uns, und wir fahren in die Uckermark hinein, wo sich uns Uferlandschaften erschließen, sehr ähnlich denen, wie sie die Stettiner Umgegend dem Auge bietet. Andere Namen, in nichts mehr an die triviale Komik von »Güstebiese« oder »Lietzegöricke« erinnernd, tauchen auf – Namen voll poetischem Klang und Schimmer: Hohensaaten, Raduhn und Hohen-Kränig.
    Der Fluß, bis dahin im wesentlichen in einem Bette fließend, fängt an, ein Netz von Kanälen durch die Landschaft zu ziehen; hierhin, dorthin windet sich der Dampfer, aber eh es uns noch gelungen ist, uns in dem malerischen Wirrsal zurechtzufinden, tauchen plötzlich weiße Giebelwände, von Türmen und hohen Linden überragt, aus dem Landschaftsbilde auf. Noch eine Biegung, und das übliche Hoi-ho, das immer laut wird, wenn das Schiff sich einer Landungsstelle nähert, läßt sich aufs neue vernehmen. Eine alte Holzbrücke, mit Hunderten von Menschen besetzt, sperrt uns den Weg; ein Fangseil fliegt über unsere Köpfe weg, dem Brückengeländer zu; der Dampfer legt an. Ein Drängen, ein Grüßen, dazwischen das Läuten der Glocke. Vom linken Ufer her aber wirft ein weitläuftiger Bau, in Bäumen und Laubgängen halb versteckt, sein Spiegelbild in den Fluß. Es ist das alte Markgrafenschloß. Wir sind in Schwedt.
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Das Oderbruch
1. Wie es in alten Zeiten war
    Wasser, Wasser überall,
Die Tiefe selbst verfaulte,
Schlammtiere krabbeln zahllos rings
Auf schlammiger Moderflut.
        Freiligrath,
    nach Samuel Taylor Coleridge

     
    Am Westufer der Oder, nach rechts hin vom Flusse selber begrenzt, nach links hin von den Abhängen des Barnim-Plateaus wie von einem gebogenen Arm umfaßt, liegt das Oderbruch . Es ist eine sieben Meilen lange und etwa zwei Meilen breite Niederung, die, ihrem Hauptbestandteile nach, in ein hohes und niederes Bruch, das Oberbruch und das Niederbruch, zerfällt. An diese beiden schließt sich noch, nach Norden hin, also flußabwärts, das Mittelbruch . Diese Bezeichnung ist schlecht gewählt und wird die Ursache beständiger Verwechselungen. Als »Mittelbruch« vermutet man es im Zentrum, zwischen dem Ober- und Niederbruch gelegen, während es doch, umgekehrt, am äußersten Flügel des Bruches liegt. Seinen Namen, der besser einem andern Platz machte, hat es wahrscheinlich daher, weil es inmitten zweier Oderarme sich ausbreitet. Neueren Arbeiten, namentlich einem vorzüglichen Aufsatze des Geheimen Rat Wehrmann, »Die Eindeichung des Oderbruches«, entnehme ich, daß man angefangen hat, diese schlechte Bezeichnung »Mittelbruch« in amtlichen Erlassen wenigstens ganz fallenzulassen. Man spricht nur noch von einem Ober - und Niederbruch , und so ist es in der Ordnung.
    Das Bruch ist ein Bauernland, eine Art Dithmarschen 1) ; aber adlige Güter blicken rundum, wie von hoher Warte, in das schöne, fruchtbare Bruchland hinein. Eine ganze Anzahl dieser auf der Höhe gelegenen altadligen Güter werden wir noch in ausführlicheren Schilderungen kennenlernen; nur ihre Namen sowie die Namen der alten, zum Teil ausgestorbenen Familien, die ihnen im Laufe der Jahrhunderte zu Ruhm und Ansehn verhalfen, mögen schon hier eine Stelle finden. Auch einem neuen Namen werden wir begegnen: Albrecht Thaer. Es wird dem Leser, mit bloßer Hülfe dieser Aufzählung, der Reichtum historischen Lebens entgegentreten, der sich hier, unmittelbar am Rande des Bruchs, auf dem Raum weniger Meilen zusammenfindet. Ich folge der Linie von Nord nach Süd. Hohenfinow: Sparr, Schlick 2) , Vernezobre.
Cöthen und Falkenberg: von Jena.
Freienwalde: Uchtenhagen.
Ranft: von Marschall.
Möglin: Albrecht Thaer.
Batzlow: Barfus.
Ihlow: Ihlow oder Illo. 3) Ringenwalde. Bredow.
Kunersdorf und Friedland: Lestwitz und Itzenplitz.
Buckow: von Pfuel, von Flemming.
Quilitz: Prittwitz, Hardenberg.
Gusow: Derfflinger.
Friedersdorf: Görtzke, Marwitz.
Lietzen: Johanniter-Komturei.
Hohenjesar: Burgsdorf.
Reitwein: Finckenstein. Von allen diesen Punkten, selbst von Buckow aus, das am meisten zurückgelegen liegt, ermöglicht sich ein Blick in die fruchtbare Tiefe; dabei wechselt der Charakter der Landschaft so oft und so anmutig, daß jeder, der am Rande des Plateaus, etwa von Freienwalde bis Seelow, oder selbst bis Frankfurt hin, diese Fahrt zu machen gedenkt, einer langen Reihe der mannigfachsten und anziehendsten Bilder begegnen
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