Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wanderungen II. Das Oderland.

Wanderungen II. Das Oderland.

Titel: Wanderungen II. Das Oderland.
Autoren: Theodor Fontane
Vom Netzwerk:
wird.
    Eine solche Fahrt auf der Höhe hin werden wir mehrfach zu machen haben, und manche dieser Fahrten (zum Beispiel der Weg von Falkenberg bis Freienwalde) wird uns Gelegenheit zu dem Versuch eines Landschaftsbildes geben; heute jedoch ist es das Bruch selbst, das in der Tiefe gelegene Bauernland, das uns beschäftigen soll, und wir werden erst bei den alten Zuständen dieses Sumpflandes, dann bei seiner Eindeichung und Entwässerung, endlich bei seiner Kolonisierung zu verweilen haben.
    Alle noch vorhandenen Nachrichten stimmen darin überein, daß das Oderbruch vor seiner Urbarmachung eine wüste und wilde Fläche war, die, sehr wahrscheinlich unsrem Spreewalde verwandt, von einer unzähligen Menge größerer und kleinerer Oder-Arme durchschnitten wurde. Viele dieser Arme breiteten sich aus und gestalteten sich zu Seen, deren manche, wie der Liepesche bei Liepe, der Kietzer und der Kloster-See bei Friedland, noch jetzt, wenn auch in sehr veränderter Gestalt, vorhanden sind. Das Ganze hatte, dementsprechend, mehr einen Bruch- als einen Waldcharakter , obwohl ein großer Teil des Sumpfes mit Eichen bestanden war. Alle Jahre stand das Bruch zweimal unter Wasser, nämlich im Frühjahr um die Fastenzeit, nach der Schneeschmelze an Ort und Stelle , und um Johanni, wenn der Schnee in den Sudeten schmolz und Gewitterregen das Wasser verstärkten. Dann glich die ganze Niederung einem gewaltigen Landsee, aus welchem nur die höher gelegenen Teile hervorragten; ja selbst diese wurden bei hohem Wasser überschwemmt.
    Wasser und Sumpf in diesen Bruchgegenden beherbergten natürlich eine eigne Tierwelt, deren Reichtum, über den die Tradition berichtet, allen Glauben übersteigen würde, wenn nicht urkundliche Belege diese Traditionen unterstützten. In den Gewässern fand man: Zander, Fluß- und Kaulbarse, Aale, Hechte, Karpfen, Bleie, Aland, Zährten, Barben, Schleie, Neunaugen, Welse und Quappen. Letztere waren so zahlreich (zum Beispiel bei Quappendorf), daß man die fettesten in schmale Streifen zerschnitt, trocknete und statt des Kiens zum Leuchten verbrauchte. Die Gewässer wimmelten im strengsten Sinne des Worts von Fischen, und ohne viele Mühe, mit bloßen Handnetzen, wurden zuweilen in Quilitz an einem Tage über 500 Tonnen gefangen. In den Jahren 1693, 1701 und 1715 gab es bei Wriezen der Hechte, die sich als Raubfische diesen Reichtum zunutze machten, so viele, daß man sie mit Keschern fing und selbst mit Händen greifen konnte. Die Folge davon war, daß in Wriezen und Freienwalde eine eigne Zunft der Hechtreißer existierte. An den Markttagen fanden sich aus den Bruchdörfern Hunderte von Kähnen in Wriezen ein und verkauften ihren Vorrat an Fischen und Krebsen an die dort versammelten Händler. Ein bedeutender Handel wurde getrieben, und der Fischertrag des Oderbruchs ging bis Böhmen, Bayern, Hamburg, ja die geräucherten Aale bis nach Italien . Kein Wunder deshalb, daß in diesen Gegenden unter allem Haus- und Küchengerät der Fischkessel obenan stand und so sehr als wichtigstes Stück der Ausstattung betrachtet wurde, daß er, nach gesetzlicher Anordnung, beim Todesfalle der Frau, wenn andres Erbe zur Verteilung kam, dem überlebenden Gatten verblieb.
    In großer Fülle lieferte die Bruchgegend Krebse , die zuzeiten in solchem Überfluß vorhanden waren, daß man zu Colerus' Zeiten, ausgangs des sechzehnten Jahrhunderts, sechs Schock schöne, große Krebse für sechs Pfennige meißnerischer Währung kaufte. Zu Küstrin wurde von 100 Schock durchgehender Krebse ein Schock als Zoll abgegeben, bei welcher Gelegenheit der vorerwähnte Colerus versichert, daß dieser Zoll in einem Jahre 325 000 Schock Krebse eingetragen habe. Danach wären denn bloß in dieser einen Stadt in einem Jahre 32½ Millionen Schock Krebse versteuert worden. Im Jahre 1719 war das Wasser der Oder, bei der großen Dürre, ungewöhnlich klein geworden; Fische und Krebse suchten die größten Tiefen auf, und diese wimmelten davon. Da das Wasser aber von der Hitze zu warm wurde, krochen die Krebse aufs Land ins Gras oder wo sie sonst Kühlung erwarteten, selbst auf die Bäume, um sich unter das Laub zu bergen, von welchen sie dann wie Obst herabgeschüttelt wurden. Auch die gemeine Flußschildkröte war im Bruch so häufig, daß sie von Wriezen fuhrenweise nach Böhmen und Schlesien versendet oder vielmehr abgeholt wurde.
    Ein so lebendiges Gewimmel im Wasser mußte notwendig sehr vielen anderen Geschöpfen eine mächtige
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher