Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Titel: Wanderungen durch die Mark Brandenburg
Autoren: Theodor Fontane
Vom Netzwerk:
Kirche selbst unterscheidet sich von anderen Dorfkirchen nur durch eine ganz besondere Sauberkeit und durch die Geflissentlichkeit, womit man das patriotische Element gehegt und gepflegt hat. So findet man nicht nur die übliche Gedenktafel mit den Namen derer, die während der Befreiungskriege fielen, sondern zu der allgemeinen Tafel gesellen sich auch noch einzelne Täfelchen, um die Sonderverdienste dieses oder jenes zu bezeichnen. An anderer Stelle gruppieren sich Gewehr und Büchse, Lanze, Säbel, Trommel und Flügelhorn zu einer Trophäe. Zwei Denkmäler zieren die Kirche. Das eine (ohne künstlerische Bedeutung) zu Ehren der ersten Gemahlin Hans Joachims, einer geborenen von Jürgaß, errichtet, das andere zu Ehren des alten Zieten selbst. Dies letztere hat gleichen Anspruch auf Lob wie Tadel. Es gleicht in seinen Vorzügen und Schwächen allen anderen Arbeiten des rasch-fertigen, hyperproduktiven Bernhard Rode 3 , nach dessen Skizze es von dem Bildhauer Meier ausgeführt wurde. Wem eine tüchtige Technik genügt, der wird Grund zur Anerkennung finden; wer eine selbständige Auffassung, ein Abweichen vom Alltäglichen fordert, wird sich nicht befriedigt fühlen. Ein Sarkophag und ein Reliefporträt, eine Minerva rechts und eine Urania links, das paßt so ziemlich immer; ein gedanklich-bequemes Operieren mit überkommenen Typen, worin unsere Bildhauer das Unglaublichste leisten. Wenn irgendein Leben, so hätte gerade das des alten Zieten die beste Gelegenheit geboten zu etwas Neuem und Eigentümlichem. Der Zieten aus dem Busch, der Mann der hundert Anekdoten, die samt und sonders im Volksmund leben, was soll er mit zwei Göttinnen (einige sagen, es seien symbolische Figuren der Tugend und Tapferkeit), die ihn bei Lebzeiten in die sicherste Verlegenheit gebracht hätten. Vortrefflich ist nur das Reliefporträt in weißem Marmor, das sich an dem dunkelfarbigen Aschenkruge des Denkmals befindet, und außer einer im Schloß befindlichen Zieten-Silhouette sehr wahrscheinlich das einzige Bildnis ist, das uns den immer en face abgebildeten Kopf des Alten auch einmal in seinem Profile zeigt. Daß dieses Profil nicht schön ist, tut nichts zur Sache.
    Alles in allem, das Marmordenkmal des alten Helden reicht an ihn selber nicht heran; es entspricht ihm nicht. Da lobe ich mir im Gegensatz dazu das schlichte Grab, unter dem er draußen in unmittelbarer Nähe der Kirche schläft. Der Raum reichte hin für vier Gräber, und hier ruhen denn auch die beiden Eltern des alten Zieten, seine zweite Gemahlin (eine geborene von Platen) und er selbst. Das Äußere der vier Gräber ist wenig von einander verschieden. Ein Unterbau von Backstein erhebt sich zwei Fuß hoch über dem Rasen, auf welchem Ziegelfundamente und dann die Sandsteinplatte ruht. Noch nichts ist verfallen. Auch der gegenwärtige Besitzer empfindet, daß er eine historische Erbschaft angetreten hat und eifert getreulich dem schönen Vorbilde des letzten Wustrauer Zieten nach, dessen ganzes Leben eigentlich nur ein Kultus seines berühmten Vaters war.
    1786 starb Hans Joachim von Zieten. Achtundsechzig Jahre später folgte ihm sein Sohn Friedrich Christian Emil von Zieten, achtundachtzig Jahre alt, der letzte Zieten aus der Linie Wustrau. Wir treten jetzt an sein Grab 4 . Es befindet sich unter der schon erwähnten schönen alten Linde, die zwischen der Kirche und dem leis ansteigenden Kirchhofe steht. Hinter sich die lange Gräberreihe der Bauern und Büdner, macht dies Grab den Eindruck, als habe der letzte Zieten noch im Tode den Platz behaupten wollen, der ihm gebührte, den Platz an der Front seiner Wustrauer. Ähnliche Gedanken beschäftigten ihn sicherlich, als er zehn oder zwölf Jahre vor seinem Tode dies Grab zu bauen begann. Ein Hünengrab. Der letzte Zieten, klein wie er war, verlangte doch Raum im Tode. Denn er baute das Grab nicht bloß für sich, sondern für das Geschlecht oder den Zweig des Geschlechts, das mit ihm schlafen ging. Mit Eifer entwarf er den Plan und leitete den Bau. Eine Gruft wurde gegraben und ausgemauert, und schließlich ein Riesenfeldstein, wie sich deren so viele auf der Wustrauer Feldmark vorfinden, auf das offene Grab gelegt. Am Fußende aber geschah die Ausmauerung nur halb, so daß hier, unter Einführung eines schräg laufenden Stollens, eine Art Kellerfenster gewonnen wurde, durch das der alte Herr in seine letzte Wohnung hineinblicken konnte. Mit Hilfe dieser Zuschrägung wurde denn auch später der Sarg versenkt. Als
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher