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Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Titel: Wanderungen durch die Mark Brandenburg
Autoren: Theodor Fontane
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seines Vaters und der Sohn des alten Knesebeck auf Karwe war Junker im Infanterieregiment von Kalkstein, das damals in Magdeburg stand. Der Zufall wollte, daß beide zu gleicher Zeit Urlaub nahmen und auf Besuch nach Haus kamen. Die beiden Nachbarfamilien lebten auf dem besten Fuß miteinander und auch die jungen Leute unterhielten einen freundschaftlichen Verkehr. Man sah sich oft und machte gemeinschaftliche Partien. Es war im August, See und Himmel blauten, und der Schilfwald, der sich im Wasser spiegelte, stieg wie eine grüne Mauer aus dem Grunde des Sees auf. An solchem Tage begegneten sich Junker und Kornett am Ufer, plauderten hin und her von der Strenge des Dienstes und von der Lust des Krieges, und kamen endlich überein, in Ermangelung wirklichen Kampfes, zwischen Karwe und Wustrau eine Seeschlacht aufzuführen. Man machte auch gleich den Plan. Die Knesebeckschen sollten von Karwe her heftig angreifen und die Zietenschen bis nach Wustrau hin zurückdrängen, dann aber sollten diese sich rekolligieren und die Knesebeckschen in ihren Schilfwald zurückwerfen. So war es beschlossen. Man schied mit herzlichem Händeschütteln und freute sich auf den andern Tag. Die Eltern nahmen Anteil und beide Dörfer gerieten in Aufregung. Nach Ruppin hin ergingen Einladungen an befreundete Offiziere, Pulver wurde beschafft, und während Kornett und Junker ihre Dispositionen trafen, verwandelten sich die Herrenhäuser von Karwe und Wustrau in Kriegslaboratorien, darin allerhand Feuerwerk, Schwärmer, Raketen und Feuerräder in möglichster Eile hergestellt wurden. So kam der ersehnte Abend. Mit dem Glockenschlage neun liefen beide Flotten aus, jede sechs Kähne stark, das Admiralsboot vorauf. Als man aneinander war, begann die Schwärmerkanonade, vom Ufer her scholl der Jubel einer dichtgedrängten Menschenmenge, und als ein pot à feu seine Leuchtkugeln in die Luft warf, zogen sich verabredetermaßen die Zietenschen nach Wustrau hin zurück. Aber nur auf kurze Distanz. Eh' sie noch in die Nähe des Hafens gekommen waren, wandten sie sich wieder und drei große Raketen fast horizontal über das Wasser hinschießend, gingen sie jetzt ihrerseits mit verdoppeltem Ruderschlag zur Attacke über. Die Karweschen hielten einen Augenblick Stand, aber nicht lange, dann begann ihre Retraite. Die Wustrauschen setzten nach und waren eben auf dem Punkt, die Fliehenden bis in das dichte Schilf hinein zu verfolgen, als ein lautes, staunendes Ah, das vom Ufer her herüberklang, die Verfolgenden stutzen ließ und ihre Blicke nach rückwärts lenkte. Die Sieger waren gefangen. Im Karweschen Schilf hatte sich eine Flotille versteckt gehalten, die der Junker vom Regimente von Kalkstein als Mietstruppe für diesen Tag angeworben und von seinem Taschengelde bezahlt hatte. Es waren Fischerboote von Alt-Friesack her, vierundzwanzig an der Zahl, jedes mit einer Laterne hoch am Mast. In langer Linie kamen sie aus dem Schilf hervor und legten sich quer vor. Das Laternenlicht war hell genug, die Fischergestalten zu zeigen, wie sie da standen mit vorgehaltenem Ruder, bereit, jeden Fluchtversuch zu vereiteln. Die Wustrauschen machten gute Miene zum bösen Spiel und sprangen lachend ans Ufer. Nie wurden Gefangene schmeichelhafter begrüßt. Als sie in den Karweschen Park traten, sahen sie dicht vor dem Herrenhause eine Ehrenpforte errichtet, an deren Spitze das von Lichtern umgebene Bild des alten Zieten leuchtete, darunter die Unterschrift: Voilà notre modèle. Am andern Tage erhielt der Junker von dem Knesebeck eine Einladung nach Wustrau. Der alte sechsundachtzigjährige Zieten, der gemeinhin einen grauleinenen Kittel trug, saß heute in voller Uniform auf seinem Lehnstuhle und rief den eintretenden Junker zu sich heran: »Komm her, mein Sohn, und küsse mich. Werde so ein braver Mann wie dein Vater.« Knesebeck trat heran und bückte sich, um dem Alten die Hand zu küssen. Dieser aber legte beide Hände auf den Kopf des Junkers und sprach bewegt: »Gott segne dich!« –
    Das ist die Geschichte von der Seeschlacht bei Karwe; sie kann es aufnehmen mit manchem großen Sieg. Wer aber am Ruppiner See zu Haus ist, den freut es zu sehen, was auf seinem schmalen Uferstreifen an Männern gewachsen ist.
     
    *
     
    Auch wir kommen heute von Wustrau – minder rasch, aber sicherer, als damals der Kornett von Zieten – und nähern uns, ohne unsere Rückzugslinie gefährdet zu sehen, auf einer der vielen, durch den Schilfwald sich hinziehenden Straßen dem
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