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Walter Ulbricht (German Edition)

Walter Ulbricht (German Edition)

Titel: Walter Ulbricht (German Edition)
Autoren: Egon Krenz (Hrsg.)
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Mitarbeitern weitere Erfolge und persönlich alles Gute. 26.6.72.«

Edmund Weber
    Ablösung mit Waffengewalt in Dölln? Das ist absoluter Unsinn
    Edmund Weber, Jahrgang 1927, sowjetische Kriegsgefangenschaft in Karelien von 1945 bis 1949, danach Neulehrer für Russisch in Heiligenstadt, dort unterrichtete er auch in der Kreisdienststelle des MfS, was dazu führte, dass er als Dolmetscher eingestellt wurde. Von 1952 bis 1990 tätig bei der Hauptabteilung Personenschutz, letzter Dienstrang Oberstleutnant. Von September1961 bis August 1973 als »persönlicher Begleiter« für die Sicherheit von Walter Ulbricht verantwortlich.
    D u warst zwölf Jahre lang für die Sicherheit von Walter Ulbricht zuständig, hast dich bisher an deine Schweigepflicht gehalten und bist erst jetzt bereit, auf Fragen über ihn zu antworten. Du bist ein Zeitzeuge, der aus eigenem Wissen berichten kann und nicht auf Gerüchte und Vermutungen angewiesen ist. Daher meine erste Frage: Hat es jemals einen Anschlag auf Walter Ulbricht gegeben?
    Nein, nie. Das lag aber wohl weniger an uns, sondern daran, dass er – ob man das heute wahrhaben will oder nicht – immer die Nähe zu anderen Menschen suchte. Genau dort lag aber unser Problem: Er ging zu den Leuten, schüttelte Hände, redete ohne Arg mit ihnen. Kein Gedanke von ihm, dass da etwas passieren könnte. Wir schwitzten manchmal Blut und Wasser. Wir kannten ja aus der Literatur und aus dem Fernsehen diverse Anschläge und Attentate auf Politiker anderer Länder. (Angefangen von US-Präsident Garfield, dem 1881 auf einem Bahnhof in den Rücken geschossen wurde, über Lenin, auf den 1918 nach einer Rede in einer Moskauer Fabrik die Sozialrevolutionärin Kaplan feuerte, oder Mahatma Gandhi, der 1948 von einem hinduistischen Fanatiker ermordet worden war, bis hin zu US-Präsident J. F. Kennedy 1963.) Die Liste der Mord- und Terroranschläge war schon damals sehr lang. Insofern waren und sind öffentliche Personen, selbst wenn sie geliebt werden, stets gefährdet. Denk an John Lennon, der hatte nun wirklich keine Feinde – sieht man mal vom FBI ab, das ihn in den 70er Jahren bespitzelte. Also, Walter Ulbricht bereitete uns manchmal echte Sorgen, wenn er auf die Leute ohne Argwohn und ungeschützt zumarschierte.
    Erzähle doch mal, wie ein normaler Arbeitstag im Leben des Staatsratsvorsitzenden aus der Sicht des Personenschützers ablief?
    Es begann mit Frühsport. Er machte Gymnastik auf der Terrasse oder lief auf Rollerski durch die Waldsiedlung. Das dauerte etwa eine halbe Stunde. Und nach dem Frühstück ging es zur Arbeit. Da habe ich ihn von zu Hause abgeholt. Etwa 8.30 Uhr saß er an seinem Schreibtisch im ZK oder im Staatsrat.
    Sein Hauptbüro befand sich aber im Gebäude des SED-Zentralkomitees.
    Ja. Wenn er staatliche Aufgaben wahrnahm, wechselte er in das Staatsratsgebäude. Bis zur Fertigstellung des Baus im Jahre 1964 residierte er im Schloss Niederschönhausen.

    Ist er vom ZK ins Staatsratsgebäude zu Fuß gegangen?
    Er wollte es. Aber wir sind gefahren. Insofern triumphierte die Sicherheit über ihn. In Berlins Zentrum waren immer sehr viele Menschen unterwegs. Auch aus dem Ausland. Das schien uns doch ein unvertretbar hohes Risiko zu sein.

    Wie war es mit den Mahlzeiten?
    Gegen 13 Uhr aß er Mittag. Ich habe vorher oben im Speisesaal in der 7. Etage angerufen. Er aß ja keine Kartoffeln. Die Küche bereitete Reis oder Nudeln vor. Manchmal rief ich aber auch die Schwester seiner Frau Lotte an. Sie wohnte mit den Ulbrichts in Pankow unter einem Dach. Dort lebten sie, bevor die Familie in die Waldsiedlung nach Wandlitz zog.
    Das heißt, Walter Ulbricht behielt auch nach dem Umzug seine Stadtwohnung und hat dort gelegentlich seine Mahlzeiten zu sich genommen?
    So war es. Die Schwester von Ulbrichts Frau war quasi Haushälterin und Köchin der Familie. Walter Ulbricht lebte sehr gesund. Nicht nur, weil er es ihm vorgeschrieben war oder weil er eitel auf seine Linie achtete, sondern weil es ihm ein Bedürfnisse war. Völlerei und Trinkerei waren ihm zuwider, er lebte geradezu asketisch. Nach dem Essen hat er sich zurückgezogen und ein wenig geruht. Das aber erst, als er jenseits der 70 Jahre war. Früher nicht.
    Wie hast du seinen Arbeitstag danach wahrgenommen?
    War er im Büro, hat er den Nachmittag für Gespräche reserviert. Da gaben sich die Leute die Klinke in die Hand. Sein Arbeitspensum war enorm.
    Man sagt, dass es zumeist Besucher von außen waren: Experten, Künstler,
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