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Wallentin, Jan

Wallentin, Jan

Titel: Wallentin, Jan
Autoren: Strindbergs Stern
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Taille reichte. Als er endlich den Sack erreichte, sah er, dass er
mit etwas bedeckt war, das wie ein verschimmeltes Netz aussah.
    Erik zog
die Handschuhe aus, um besser greifen zu können.
    Ein schlüpfriges
Wirrwarr von grauen und schwarzen Fäden, die von Feuchtigkeit durchtränkt
waren. Er schob sie ein wenig zur Seite und erblickte einen eingewickelten
Gegenstand mit einem Schaft. Vielleicht ein Werkzeug, das irgendwo
hängengeblieben war? Er zog an dem Schaft aus weiß glänzendem Metall. Doch der
Schaft ließ sich nicht lösen, er schien festgebunden zu sein. Erik befühlte
ihn weiter oben an der glatten Oberfläche und stieß auf zwei, nein drei
geschnürte Seile.
    Er kramte
sein Titanmesser hervor und schnitt mit der sichelförmigen Klinge das erste
Seil durch. Es knirschte. Knirschte? War das Seil so alt, dass es bereits
versteinert war?
    Er griff
nach dem zweiten Seil und machte einen weiteren Schnitt. Ein erneutes lautes
Knirschen, und jetzt begann sich der gesamte Sack zu bewegen. Trotz der Kälte
spürte Erik, wie ihn eine Welle fiebriger Hitze erfasste. Er durchschnitt auch
das dritte Seil und merkte dann, wie er erleichtert ausatmete.
    Als sich
der Schaft löste, war sein erster Eindruck, dass er einem ungewöhnlich langen
Schlüssel glich. Doch als der flackernde Lichtschein der Stirnlampe den
Gegenstand beleuchtete, stellte er fest, dass es sich um eine Art Kreuz
handelte. Es hatte einen Längs- und einen Querbalken, aber oberhalb des
Querbalkens befand sich eine Öse. Sie leuchtete in der Dunkelheit weiß und
besaß die ovale Form einer Schlinge.
    Erik griff
mit seiner nackten Hand in das feuchte Gewirr von Fäden und versuchte sie
vollständig zur Seite zu schieben, um an den Inhalt des Sacks zu gelangen. Doch
die Fäden schienen festgenäht zu sein, so dass er sie fester umschloss und
kräftig an ihnen zog. Zu spät bemerkte er, dass er viel zu viel Kraft
aufgewendet hatte. Im Ziehen kam ihm der gesamte Sack entgegen, und er machte
stolpernd ein paar unsichere Schritte zurück, bis er durch die Wucht seines
eigenen Körpergewichts nach hinten überkippte.
    Sein Kopf
verschwand im eisigen Wasser des Beckens. Und als er nach mehrfachem
Wegrutschen endlich wieder zum Sitzen hochkam, sah er im Schein seiner
Stirnlampe ein verzerrtes Gesicht vor sich. Die starr blickenden Augen einer
Frau waren von einer straff gespannten, pergamentartigen Haut umgeben, und
oberhalb der Nasenwurzel klaffte ein Loch auf ihrer Stirn, das so groß war wie
eine Münze.
    Dann
spürte er, wie die drei abgeschnittenen Stumpen unter Wasser an seine Hände
stießen. Er hatte keine festgezurrten Seile abgeschnitten, sondern die Finger
der Frauenhand. Er wich instinktiv zurück, doch ihr Kopf folgte ihm, als wäre
sie eine Stoffpuppe. Er zog noch einmal und stellte fest, dass die Fäden, die
er in der Hand hielt, die langen Haare der Leiche waren.
    Als er
unbewusst durch die Nase einatmete, vernahm er durch den Gestank hindurch
deutlich ihren Körpergeruch. Die Frau roch nach Blut und Eisen und nach einer
sommerwarmen Scheunenwand. Ein Geruch, den Erik sofort zuordnen konnte. Sie
roch nach der roten Farbe, die man im Kupferbergwerk von Falun gewann.
     
    Der
Dalakurir
     
    Der
Dalakurir war eine Zeitung mit wohlwollenden Chronisten und scharfzüngigen
politischen Kolumnisten, doch was Nachrichten anbelangte, gehörte man
wahrhaftig nicht zu den führenden Redaktionen des Landes. Dennoch besaß der
Nachrichtenchef in Falun eine gewisse instinktive Fähigkeit: Er konnte zum
richtigen Zeitpunkt das Telefon abheben.
    Der Tipp
war am Sonntagnachmittag um halb vier hereingekommen, just zu einer Zeit, zu
der es ihm am trostlosesten erschien, Lückenfüller aus Gagnef und Hedemora zu
verfassen.
    Die
knisternde Handyverbindung hatte es erschwert, nähere Details aufzufassen,
doch die hauptsächliche Botschaft des freiberuflichen Fotografen war einfach
gewesen: Es ging um einen Coup sondergleichen. Im Großen und Ganzen handelte
die Story, wenn der Nachrichtenchef es richtig verstanden hatte, von einem Mädchen (Teenager?), das erschlagen (Sexmord?) in einem Bergwerksschacht (spektakulärer Sexmord?) gefunden
worden war.
    Der Mann,
der die Leiche fand und SOS funkte - nach Aussage des Fotografen offenbar eine
Art Taucher -, hatte eine ganze Menge Zahlen heruntergerattert, bevor das
Gespräch unterbrochen wurde. Zahlen, die die Mitarbeiter in der Zentrale
schließlich als GPS-Koordinaten deuten konnten. Daraufhin hatte sich
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