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Wallenstein (German Edition)

Wallenstein (German Edition)

Titel: Wallenstein (German Edition)
Autoren: Alfred Döblin
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sein Gesicht und Hände häuteten in der Sommerluft. Die Bande ließ sich oft tagelang nicht sehen, er mußte mit Brot und Fleisch haushalten. Da war der Waldmensch weg. Zwei Tage stellte er sich nicht ein. Es fehlte nicht viel, daß Ferdinand, leicht erschöpflich wie er war, ihm nachging. Bis er eines Mittags allein in der Hütte liegend von dünnen Rufen, dann einem knackenden Geräusch und nahem Scharren überrascht wurde.
    Vor einem Gestrüpp das braunschwarze Geschöpf. Es bückte sich über etwas Weißem. Winkte krächzend lachend schnarrend Ferdinand mit Händen und Blicken zu. Das Weiße hob sich. Es war ein junges rothaariges Fräulein, nur leicht gekleidet. Er mußte sie aus dem Bad gestohlen haben. Das nicht schöne pockennarbige Mädchen streckte aus seinem tödlich blassen Schrecken, immer wieder ohnmächtig, Ferdinand die Arme entgegen. Der aber sah sie kaum an. Der Waldmensch fletschte die Zähne, schleppte sie rückwärts, knurrend fauchend und brünstig kreischend ins Gebüsch, nach Ferdinand, der herausgetreten war, sich umschauend, hob ihr die Tücher ab, verging sich glucksend und schlagend an ihr.
    Ferdinand hatte mit hellen überweiten verglasten Augen in der Nähe gestanden. Das Waldtier winkte ihn hervortauchend, kochenden Leibes, zu dem Fräulein heran, fiel ihm grunzend und speichelnd um die Brust. Es hauchte ihn hitzig an. Die wand sich im Gras, wollte weglaufen. Ferdinand zitterten unten die Knie. Er konnte sich von diesem betäubenden Atem nicht losmachen. Er drückte halb willkürlos den Waldmenschen an sich. Schaurig, fast unerträglich strömte es über ihn bei der Berührung der zottigen Haut und bei dem starken schweißgemischten Dunst. Er kannte kein Erbarmen mit dem Fräulein unter der Aufpeitschung seines Innern. Er vermochte, wie es durch ihn raste, die Arme fest um den Kobold zu schließen, verzehrt von Angst und Hingenommenheit. Das Mädchen war fort. Das heiße Geschöpf lachte ihn an, schüttelte sich losgelassen, knurrte, schnarrte, wie es das Fräulein nicht sah, schwang sich davon.
    Ferdinand saß mit flimmernden Augen in der dunklen Hütte, blinzelte. Sah sich um, wußte nicht, wo er war. »Ich muß fort«, war ihm bewußt. Als er zwei Stunden geschlafen hatte, war er schweißgebadet. Sein Kopf floß. Durch seinen Traum hatte sich das Schaurige Betäubende gewaltig und fessellos geschwungen.
    Am nächsten Morgen kam die Bande. Den Abend zuvor hatte er noch mit Ästen nach dem Waldmenschen geworfen, wie der sich ihm grinsend nähern wollte, hatte die Tür vor ihm zugeklemmt.
    Aber wie sie über Hügel und Felder fuhren, wurde er wieder eine Beute der Betäubung. Klee Heckenrosen Lupinen zogen vorbei. Und so blieb es tagelang in der Ruine, in deren Kellern sie sich versteckten und Ferdinand, der leidlich gehen konnte, als Wächter beließen für die gestohlenen Pferde Rüstungen Säcke, während sie draußen ihr Handwerk trieben. Hier entschlüpfte Ferdinand, völlig modelliert von dem Erlebnis. Etwas Geheimnisvolles lag über ihm. Im Schnappsack trug er Brot Käse und Rauchfleisch mit sich. Grau und sehnig war er, das Gesicht noch gelb. Er machte einen beunruhigenden Eindruck auf die Leute, die ihn beköstigten und schlafen ließen. Wich ihnen aus.
    Ihn trieb es, wie er auch widerstrebte und sich wand, nach dem Wald und der Gegend des Koboldes. Er grollte und lobte sich in einem Gedanken, daß er ihm ausgewichen war. Wie er eine Baumrinde berührte, fühlte er, wohin er gehörte; er bekam die Hand, als friere sie fest, kaum los von dem Stamm.
    Er näherte sich nach Tagen erregt dem Ort. Von Schreck durchzuckt, fand er die Hütte. Das niedrige Holzgestell, die groben braunen Latten. Es benahm ihm den Atem. Einen Augenblick stand sein Herz still. Er ließ sich nieder. War tief beglückt. Den ganzen Tag wartete er, schlief im Freien ein. Und noch einen Tag. Er ging und bewegte sich wie in einem festen Schlaf. Wie er im Morgengrauen aufwachte unter Gezwitscher, saß der braunzottige Kobold neben ihm, betrachtete ihn von der Seite, lachte ihn an. Ferdinand aufwallend blieb ernst, berührte ihn bittend. Der wies ihm den Buckel, schien ihn schleppen zu wollen. Ferdinand legte die Hände an das Wesen, genoß, im Innersten durchrieselt, die Berührung. Der quietschte, kratzte sich, gab wegkriechend Zeichen auf die Hütte, schnarrte, lallte. Die Hüttentür war offen. Der Mann ging, sich duckend, hinein. Eine Bande mußte erst jüngst dagewesen sein; es lag Brot und Schinken unter
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