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Walled Orchard 02: Der Garten hinter der Mauer

Walled Orchard 02: Der Garten hinter der Mauer

Titel: Walled Orchard 02: Der Garten hinter der Mauer
Autoren: Tom Holt
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Dummkopf. Er schiffte sich so schnell wie möglich ein und begab sich in Windeseile nach Sparta, wo man sich freute, ihn zu sehen. Die Athener trösteten sich über seinen Verlust hinweg, indem sie ihm in Abwesenheit den Prozeß machten, was fast genauso viel Spaß machte, als wäre er anwesend gewesen. Natürlich bekam man ihn nicht zu hören, was schade war, aber andererseits konnte man ihn für schuldig erklären (was in seiner Gegenwart möglicherweise schwierig gewesen wäre) und damit endgültig beweisen, daß tatsächlich er es gewesen war, der die Statuen verstümmelt hatte.
    Die Flotte zog weiter, jetzt mit Nikias als Oberbefehlshaber, und wir zu Hause warteten begierig auf die Nachricht vom Untergang Syrakus’. Doch Wochen verstrichen, und keine Nachricht traf ein, also dachten wir nicht mehr an Sizilien und beklagten uns statt dessen darüber, wie ausgestorben die Stadt heutzutage sei und daß man bereits Probleme habe, genügend Leute für eine Abendgesellschaft zusammenzubekommen. Aus Wochen wurden Monate, und immer noch traf keine Nachricht ein, bis jedermann auf dem Marktplatz überzeugt davon war, daß Nikias seinen Auftrag in Sizilien längst erfüllt hatte und gleich zu den Goldenen Inseln oder den Inseln des immerwährenden Regens weitergefahren sei.
    Das Geld, das uns unsere treuen sizilianischen Verbündeten versprochen hatten, traf ebenfalls nicht ein, und bald fanden wir auch heraus, warum. Sie erinnern sich, daß Alkibiades’ Boten in Privathäusern aufgenommen worden waren, wo alles aus Silber bestanden hatte; nun ja, in dem Fall waren die Sizilianer schlau gewesen. Etwa eine Woche vor dem Eintreffen der Boten hatten sie überall in der Stadt jeden Gegenstand aus Silber, den sie finden konnten, und jede einzelne Münze beschlagnahmt und damit für ihre athenischen Gäste ein besonderes Schauspiel aufgezogen. Sobald die Boten zur nächsten Stadt weiterzogen, eilte ihnen dann das Silber voraus, und die Sizilianer beteten, daß sich die Athener nicht fragten, warum die Silberwaren in Segesta so große Ähnlichkeit mit den Silberwaren in Catina hatten. Was die städtischen Schatzkammern anbetraf, hatten die Sizilianer den Boden bis auf die Bereiche an den Türen mit Feigen und Steinen bedeckt und darüber eine hauchdünne Schicht Münzen verteilt.
    Nachdem wir unsere anfängliche Wut über die Überlistung durch die Sizilianer überwunden hatten, beschlossen wir, die ganze Angelegenheit kolonialem Übermut zuzuschreiben und sie einfach zu vergessen. Schließlich war die Schatzkammer der Athena auf der Akropolis bis obenhin mit Silbermünzen gefüllt, und wir verschwendeten das Geld ja nicht; vielmehr legten wir es an, und ein paar hundert Talente waren für die Weltherrschaft und die Vernichtung Spartas ein geringer Preis. Aber dieser Vorfall gab den Leuten – zusammen mit dem Fall Alkibiades und dem Mangel an Meldungen über glänzende Erfolge – Anlaß, sich über das Sizilienprojekt Gedanken zu machen, die ihnen vorher nicht gekommen waren. Doch niemand, nicht einmal der Verrückteste von uns, dachte auch nur für einen Augenblick daran, die Expedition lieber zurückzurufen; es herrschte lediglich die allgemeine Ansicht, irgendwann müsse irgendwer irgendwo für irgend etwas bestraft werden. Das kam unserem normalen Geisteszustand so nahe, daß wir bald wieder aufhörten, darüber zu sprechen. Dann traf eine Nachricht von Nikias ein, die sich von seinen früheren Eilbotschaften gänzlich unterschied, die allesamt ohne jeglichen Informationsgehalt gewesen waren.
    Ich nehme an, es gibt eine Kunst der Abfassung von Kriegsbotschaften; meine Lieblingsbotschaft stammt vermutlich von einem spartanischen Offizier, die von ihm in einer späteren Phase des Kriegs abgeschickt worden ist und ungefähr folgendermaßen lautete: ›Alle Schiffe gesunken. Heerführer gefallen. Soldaten verhungern. Habe nicht die leiseste Ahnung, was als nächstes zu tun ist. Bitte um Rat.‹ Nikias’ Brief war zwar länger, aber nicht viel erfreulicher.
    Seinem Brief zufolge hatte er die Zeit seit seiner Landung auf Sizilien mit dem Errichten von Mauern verbracht. Aus meinen eigenen Erfahrungen auf Samos wußte ich, wie sehr das militärische Gemüt eine gute Mauer zu schätzen weiß, insbesondere dann, wenn man nichts damit anfangen kann und sie der Fußtruppe nur im Weg steht. Aber es gibt einem Mann das Gefühl, etwas geleistet zu haben, wenn er auf eine Mauer zeigen und sagen kann: ›Die habe ich gebaut‹; und da
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