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Wallander 09 - Der Feind im Schatten

Wallander 09 - Der Feind im Schatten

Titel: Wallander 09 - Der Feind im Schatten
Autoren: Henning Mankell
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die so freundlich von seinem Vater gesprochen hatte. Ich habe vielleicht nie klar gesehen, wer er war, was er für mich und für andere bedeutete. Ebenso, wie ich erst jetzt verstehe, was eigentlich hinter Håkan von Enkes Verschwinden und Louises Tod steckt. Endlich merke ich, dass ich mich einer Lösung nähere, statt mich von ihr zu entfernen.
    Er sah ein, dass er noch einmal eine Reise machen musste, in diesem Sommer, in dem es schon so viele Ortswechsel gegeben hatte. Doch er hatte keine Wahl, er wusste jetzt, was er tun musste.
     
    Noch einmal zog er das Foto aus der Tasche. Er hielt es vor sich und riss es dann in der Mitte durch. Es hatte einmal eine Welt gegeben, die Stig Wennerström und Håkan von Enke vereint hatte. Jetzt hatte er sie getrennt.
    War es damals schon so?, sagte er laut zu sich selbst. Oder war das etwas, was weit später eingetreten war?
    Er wusste es nicht. Aber er würde auf jeden Fall versuchen, es herauszufinden.
    Niemand hörte, wie er dort draußen, auf der äußersten Spitze der Pier, laut mit sich selbst redete.

 
39
     
    Später hatte er nur bruchstückhafte Erinnerungen daran, wie der Tag vergangen war. Er kehrte zu guter Letzt von der Pier in die Stadt zurück, blieb vor einem neu eröffneten Esslokal in der Hamngata stehen, trat durch die Tür und machte auf dem Absatz kehrt. Dann ließ er sich eine weitere Runde durch die Straßen treiben, bis er sich vor dem Chinarestaurant, das er gern besuchte, wiederfand. Er setzte sich an einen freien Tisch, es waren um diese Zeit am Nachmittag nur wenige Gäste im Lokal, und bestellte zerstreut ein Gericht von der Karte.
    Wenn jemand ihn nachher gefragt hätte, was es gewesen sei, hätte er wahrscheinlich nicht antworten können. Er war in Gedanken nur damit beschäftigt, sich einen Plan zurechtzulegen, der ihn weiterbringen konnte. Er musste herausfinden, ob er recht hatte oder nicht, jetzt, da sich auf einmal alles ganz anders darstellte. Er hatte neue Karten auf der Hand, die auf einen Schlag andere Voraussetzungen boten. Alles, was er bis dahin geglaubt hatte, war auf einem gedanklichen Müllhaufen gelandet.
    Lange stocherte er mit den Stäbchen im Essen herum, bevor er es plötzlich viel zu schnell hinunterschlang, bezahlte und das Restaurant verließ. Auf dem Weg zu seinem Zimmer wurde er von Kristina Magnusson aufgehalten, die fragte, ob er Lust habe, sie und ihre Familie am kommenden Wochenende zum Essen zu besuchen. Er konnte den Tag selbst aussuchen, Samstag oder Sonntag. Da ihm keine Ausrede einfiel, nahm er die Einladung für den Sonntag an. Er hängte sein selbstgebasteltes Schild Bitte nicht stören vordie Tür, stellte das Telefon aus und schloss die Augen. Nach einer Weile streckte er den Rücken, notierte sich einige Wörter auf einem Kollegblock und fasste seinen Beschluss. Er musste aufs Ganze gehen und herausfinden, ob das, was er glaubte, richtig war. Dass er sich nicht nur geirrt, sondern sogar gründlich an der Nase hatte herumführen lassen. In einem Wutanfall warf er seinen Kugelschreiber an die Wand und fluchte. Einmal, nicht mehr. Dann rief er Sten Nordlander an. Die Verbindung war schlecht. Als Wallander betonte, dass es wichtig sei und er so schnell wie möglich mit ihm reden müsse, versprach Nordlander zurückzurufen. Wallander legte auf und fragte sich, warum es so schwierig war, in gewissen Teilen der Schären anzurufen. Oder befand Sten Nordlander sich ganz woanders?
    Er wartete und wälzte die Gedanken in seinem übervollen Hirn, das wie ein bis an den äußersten Rand gefüllter Tank war, der jeden Moment überlaufen konnte.
    Vierzig Minuten später rief Sten Nordlander an. Wallander hatte die Armbanduhr vor sich auf den Tisch gelegt, die Zeiger standen auf zehn nach sechs. Die Verbindung war jetzt ausgezeichnet.
    »Es tut mir leid, dass ich dich habe warten lassen. Jetzt liege ich bei Utö.«
    »Nicht weit von Muskö«, sagte Wallander. »Oder irre ich mich?«
    »Nein, gar nicht. Man kann ruhig sagen, dass ich mich in klassischen Gewässern befinde. U-Boot-Gewässern also.«
    »Wir müssen uns treffen«, sagte Wallander. »Ich möchte gern mit dir reden.«
    »Ist etwas passiert?«
    »Es passiert dauernd etwas. Aber ich möchte mit dir über einen Gedanken sprechen, der mir wichtig erscheint.«
    »Es ist also nichts passiert?«
    »Nein. Aber ich möchte nicht am Telefon darüber sprechen. Wie sieht es in den nächsten Tagen bei dir aus?«
    »Wenn du vorhast herzukommen, muss es wichtig sein.«
    »Ich
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