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Wallander 06 - Die fünfte Frau

Wallander 06 - Die fünfte Frau

Titel: Wallander 06 - Die fünfte Frau
Autoren: Henning Mankell
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aufzugeben und sich eine andere zu suchen, vielleicht als Sicherheitsbeauftragter eines Unternehmens. Aber er war Polizist. Diese Einsicht war langsam in ihm gereift, und sie war unwiderruflich. Etwas anderes würde er niemals sein.
    Unter der Dusche dachte er an die Ereignisse von vor ein paar Monaten zurück, während des heißen Sommers und der für Schweden so erfolgreichen Fußballweltmeisterschaft. Immer noch bereitete ihm der Gedanke an die hoffnungslose Jagd auf einen Serienmörder Unbehagen, der sich zum Schluß als ein geistesgestörter Junge von gerade vierzehn Jahren herausgestellt hatte. Während der Woche in Rom waren alle Gedanken an die erschütternden Ereignisse des Sommers wie fortgeblasen. Jetzt drängten sie in sein Bewußtsein zurück. Eine Woche Rom veränderte nichts. Er kehrte in seine Welt zurück.
    Bis nach sieben Uhr blieb er am Küchentisch sitzen. Der Regen trommelte ununterbrochen. Die italienische Hitze war bereits eine ferne Erinnerung. Der Herbst war nach Schonen gekommen.
     
    Um halb acht verließ er die Wohnung und fuhr im Wagen zum Polizeipräsidium. Sein Kollege Martinsson kam gleichzeitig an und parkte neben ihm. Sie begrüßten sich flüchtig im Regen und hasteten zum Eingang des Polizeigebäudes.
    »Wie war die Reise?« fragte Martinsson. »Schön übrigens, dich wieder hier zu haben.«
    »Mein Vater war sehr zufrieden«, erwiderte Wallander.
    »Und du selbst?«
    »Es war eine prima Reise. Und heiß.«
    Sie gingen hinein. Ebba, die seit über dreißig Jahren in der Anmeldung des Polizeipräsidiums von Ystad saß, begrüßte ihn mit einem breiten Lächeln.
    »Kann man im September in Italien so braun werden?« fragte sie erstaunt.
    »Ja«, antwortete Wallander, »wenn man sich in der Sonne aufhält.«
    Sie gingen den Korridor entlang. Wallander dachte, daß er Ebba |37| etwas hätte mitbringen sollen, und ärgerte sich über seine Gedankenlosigkeit.
    »Hier ist alles ruhig«, sagte Martinsson. »Keine ernsteren Sachen. So gut wie gar nichts.«
    »Vielleicht können wir auf einen ruhigen Herbst hoffen«, sagte Wallander zögernd.
    Martinsson verschwand, um Kaffee zu holen. Wallander öffnete die Tür zu seinem Zimmer. Alles war, wie er es verlassen hatte. Der Tisch war leer. Er hängte die Jacke weg und öffnete das Fenster einen Spalt weit. In einem Korb für Posteingänge lagen einige Rundschreiben der Reichspolizeibehörde. Er griff nach dem obersten, ließ es aber ungelesen auf den Tisch fallen. Er dachte an das komplizierte Ermittlungsverfahren wegen des Autoschmuggels zwischen Schweden und den ehemaligen Oststaaten, mit dem er sich jetzt seit fast einem Jahr beschäftigte. Falls während seiner Abwesenheit nichts Besonderes vorgefallen war, mußte er mit dieser Ermittlung weitermachen.
    Er fragte sich, ob er sich damit bis zu seiner Pensionierung in ungefähr fünfzehn Jahren abgeben müßte.
    Um Viertel nach acht stand er auf und ging hinüber ins Sitzungszimmer. Um halb neun sammelten sich die Kriminalbeamten der Polizei in Ystad, um die für die Woche vorliegende Arbeit durchzugehen. Alle bewunderten seine Farbe. Er setzte sich an seinen gewohnten Platz und empfand die für einen Montag im Herbst übliche Stimmung: grau und müde, alle ein bißchen abwesend. Er fragte sich, wie viele Montagmorgen er in diesem Raum zugebracht hatte. Weil ihre neue Chefin Lisa Holgersson in Stockholm war, leitete Hansson die Sitzung. Martinsson hatte recht, es war nicht viel passiert in Wallanders Abwesenheit.
    »Ich nehme an, ich mache mich wieder an meine geschmuggelten Autos«, sagte Wallander und versuchte nicht, seine Frustration zu verbergen.
    »Es sei denn, du nimmst dir einen Einbruch vor«, sagte Hansson aufmunternd. »In einem Blumenladen.«
    Wallander sah ihn verwundert an.
    »Einbruch in einem Blumenladen? Was wurde denn gestohlen? Tulpen?«
    |38| »Nichts, soweit wir sehen können«, sagte Svedberg und kratzte sich die Glatze.
    Im gleichen Augenblick ging die Tür auf, und Ann-Britt Höglund hastete herein. Weil ihr Mann sich meistens auf Montage in irgendeinem entlegenen Land befand, von dem noch niemand etwas gehört hatte, war sie mit ihren beiden Kindern allein. Ihre Morgen verliefen chaotisch, und sie kam häufig zu spät zu den Sitzungen. Ann-Britt Höglund war jetzt seit gut einem Jahr bei der Polizei in Ystad. Sie war die jüngste Kriminalbeamtin. Anfangs hatten einige der älteren Beamten, unter anderem Svedberg und Hansson, offen ihren Unmut darüber demonstriert,
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