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Waldstadt

Waldstadt

Titel: Waldstadt
Autoren: B Leix
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entkräften könnte.
    Seit er es geschafft hatte, seine Garotte ein fünftes Mal zuzuziehen, schreckte ihn selbst der Gedanke an ein Gericht nicht mehr. Er schwebte in absoluter Hochstimmung.
    Dieses riesige Polizeiaufgebot auszutricksen, war nicht einfach gewesen, doch sein Plan hatte funktioniert. Frühmorgendliche Fahrradrunden, jeden Tag – drei Mal waren ihm Polizeifahrzeuge begegnet, jedoch ohne kontrolliert zu werden. Zivilstreifen? Es gab keine mehr, da war er sich völlig sicher und selbst wenn? Sie hätten nichts bei ihm gefunden. Seine schwarzen Klamotten hatte er immer zu Hause gelassen und auch die Schlinge wartete stets an der Schreibtischlampe auf seine Rückkehr. Er begann zu grinsen und dachte an die beiden Streifenpolizisten, die ihn zum Verhör abholen mussten. Das hätte gefährlich werden können, aber entweder hatten diese Tölpel den aufgerollten Draht nicht bemerkt oder ihn wegen der lackierten Griffe für ein Schmuckstück gehalten.
    Der Hauptgrund für die gute Laune aber war sein mehrmaliger Besuch im Polizeipräsidium, in der Höhle des Löwen sozusagen. Selbstverständlich und ohne die geringste Nervosität hatte er seine Aussage gemacht, denn zur fraglichen Uhrzeit war er ja wie üblich zwecks Frühsports im Hardtwald unterwegs gewesen. Das wusste auch dieser Kommissar. Oft genug begegneten sie sich. Also blieb ihm nur die Flucht nach vorne. Alles andere hätte ihn doch verdächtig gemacht – und außerdem half er ja gerne.
    Man hatte ihn abgelichtet und ihm Fotos vorgelegt. Bilder von anderen Radfahrern, von Joggern, Nordic-Walkern, Gassigehern – 15 davon konnte er erkennen. Er war ihnen schon oft begegnet, fast jeden Morgen, fast immer auf derselben Strecke, fast zur gleichen Uhrzeit.
    Ja, man kannte sich. Auch die Frau mit dem auffallenden schwarzen Haar und dem harmlosen schwarzen Hund hatte er gekannt. Dass sie Pianistin war, erfuhr er erst danach aus der Zeitung, aber sie joggte immer so passend die Querallee entlang, ideal für das fünfte Mal.
    Außerdem kam es ihm nicht auf eine bestimmte Person an. Wichtig war nur die Tat. Das kraftvolle Zuziehen, das hilflose Zappeln, das völlige Ausgeliefertsein, das endgültige Auslöschen, danach fieberte er. Das gab ihm den ultimativen Kick und machte ihn frei.
     
    Seit er suspendiert war, hatte er Zeit im Überfluss. Er las viel und hörte Musik, mehrmals täglich stand Sport auf seinem Programm, abwechselnd joggen oder biken, auch im Fitnessstudio ließ er sich sehen, bei Sonne ab und zu an den Baggersee – ein herrliches Leben.
    Ein idealer Zustand, um Pläne zu schmieden, um die letzten beiden Ringe an der Garotte zu lackieren. Es mussten aufsehenerregende Taten werden, so genial, um damit in die Geschichte einzugehen. Sie sollten seine Lebensleistung krönen. Noch nach Jahrzehnten würde man von ihm sprechen, von dem, der die Schlinge zuzog und danach unsichtbar im Unterholz der Wälder verschwand. Von dem, nach dessen Motiv man vergeblich gesucht hatte. Von dem, der die fähigsten Polizisten zum Narren gehalten hatte.
    Sollte er sich wieder ein prominentes Opfer aussuchen? Bisher war es ihm völlig egal gewesen, wen er ins Dickicht zerrte, aber mit dieser Pianistin, dieser Professorenfrau hatte er einen tollen Coup gelandet. Deutschlandweit sprach man von ihm, sogar zwei amerikanischen TV-Stationen war er eine Kurzreportage wert gewesen.
    Einen unbekannten Studenten oder einen besoffenen Rentner auf dem Mofa vergaß man bald wieder, aber eine international bekannte Künstlerin und Gattin eines Hochschullehrers, damit potenzierte sich das Medieninteresse schlagartig.
    Er sprang auf. Wie wäre es wenn … Ja, genau, der wohnte doch auch in der Waldstadt … Er kannte ihn aus der Zeitung, aus dem Fernsehen und aus dem Wald!
     
    Mittlerweile zeigten die grün Uniformierten unermüdlich Phantombilder vor. Zweierteams der Bereitschaftspolizei waren unterwegs und hielten den Passanten die Computerkonstruktionen unter die Nase. »Kennen Sie diese Personen?«
    12 neue Spuren hatte der erste Tag erbracht. »Alle überprüft – jedes Mal Fehlanzeige«, berichtete Jan Sternberg in der großen Konferenz.
    Der nächste Tag verlief nicht besser. Sieben Mal griffen die BePo-Trupps zum Handfunkgerät, Streifenwagen wurden losgeschickt, doch in keinem Fall bestand auch nur eine entfernte Ähnlichkeit.
    Tag drei brachte endlich Erfolg. Ein Gärtner des Hauptfriedhofs gab zu, am Morgen der Tat die Rintheimer Querallee benutzt zu haben. »Ich
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