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Walden Ein Leben mit der Natur

Walden Ein Leben mit der Natur

Titel: Walden Ein Leben mit der Natur
Autoren: Henry David Thoreau
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seine Bestimmung im Vergleich zu dem Erlös aus seiner Fracht? Fährt er nicht im Dienste von Herrn »Tu-dich-um« ? Was ist gottähnlich, was unsterblich an ihm? Wie er sich krümmt und windet, den ganzen Tag in unbestimmten
    Befürchtungen, weder unsterblich noch göttlich, sondern Sklave und Gefangener seiner Meinung von sich selbst, ein Ruhm, den er sich selbst zuzuschreiben hat. Die öffentliche Meinung ist im Vergleich zu unserer eigenen ein machtloser Tyrann. Was der Mensch von sich selbst denkt, ist das Entscheidende, ist das Ausschlaggebende für sein Schicksal. Selbstbefreiung bis in die
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    westindischen Provinzen der Phantasie und Vorstellungskraft -
    welcher Wilberforce setzt sich dafür ein? Man denke auch an die Damen des Landes, die Zierkissen für den Jüngsten Tag sticken, um ja kein allzu reges Interesse an ihrer Bestimmung zu verraten! Als könne man die Zeit totschlagen, ohne die Ewigkeit zu verletzen.
    Die Mehrzahl der Menschen bringt ihr Schicksal in stiller Verzweiflung hin. Was wir Resignation nennen, ist nichts anderes als chronische Verzweiflung. Aus der hoffnungslosen Stadt geht man aufs hoffnungslose Land und sucht Trost an der Schönheit von Nerz und Bisamratte. Eine stereotype, wenn auch unbewußte Form der Verzweiflung ist sogar unter dem verborgen, was man allgemein als Spiele und Unterhaltungen bezeichnet. Sie haben nichts von einem Spiel an sich, denn das kommt erst nach der Arbeit. Ein charakteristisches Merkmal der Weisheit jedoch ist es, nichts aus Verzweiflung zu tun. Wenn wir bedenken, was - nach den Worten des Katechismus - das höchste Gebot des Menschen ist und was der wahre
    Lebenszweck, die notwendigen Lebensbedürfnisse sind, dann scheint es, als hätten die Menschen sich absichtlich für die allgemein übliche Lebensweise entschieden, weil sie diese jeder anderen vorziehen. Indes sind sie ehrlich davon
    überzeugt, keine andere Wahl zu haben. Freilich, wache und gesunde Naturen sind sich noch dessen bewußt, daß die
    Sonne einmal rein aufging. Es ist jedoch nie zu spät, unsere Vorurteile aufzugeben. Auf keine Art des Denkens oder
    Handelns, wie alt sie auch sei, kann man sich verlassen, ohne sie vorher erprobt zu haben. Was heute alle Welt als wahr anpreist oder stillschweigend dafür gelten läßt, kann morgen falsch sein, sich in Rauch auflösen, den mancher für eine Wolke hielt, die fruchtbaren Regen über seine Felder bringen würde. Was alte Leute für unausführbar halten - versuch es selbst, und du wirst finden, daß du es kannst. Altes Tun für die Alten, neues für die Jungen. Die Alten verstanden einstmals nicht, sich das Brennmaterial zu verschaffen, um ihr Feuer in Gang zu halten; heute legt man ein bißchen trockenes Holz unter einen Kessel und saust mit der Schnelligkeit eines Vogels
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    rund um die Erde. Das Alter ist kein besserer, ja kaum ein so guter Lehrmeister wie die Jugend, denn es hat nicht so viel gewonnen, wie es verlor. Man möchte beinahe daran zweifeln, daß selbst der Weiseste durch Erfahrung etwas von absolutem Wert gelernt hat. Faktisch haben die Alten den Jungen keine wesentlichen Ratschläge zu geben, denn ihre eigene Erfahrung war zu ich-gebunden, ihr Leben - aus persönlichen Gründen, wie sie natürlich glauben - ein kläglicher Mißerfolg. Vielleicht ist ihnen auch, ihrer Erfahrung zum Trotz, ein wenig Glaube geblieben, und sie sind nur weniger jung, als sie waren. Ich habe auf diesem Planeten etwas über dreißig Jahre
    zugebracht, ohne auch nur die erste Silbe eines wertvollen, ja nicht einmal eines ernstzunehmenden Rates von meinen
    älteren Zeitgenossen vernommen zu haben. Sie haben mir
    nichts mitgeteilt, was brauchbar wäre, und wahrscheinlich haben sie mir auch nichts mitzuteilen. Hier ist das Leben, ein Experiment, von mir zum größten Teil noch unversucht; es nützt mir nichts, daß andere es versucht haben. Wenn ich
    irgendwelche Kenntnisse erworben habe, die mir von Wert erscheinen, so verdanke ich sie bestimmt nicht meinen
    Ratgebern.
    »Sie können nicht von Pflanzenkost allein leben«, erklärte mir ein Farmer, »denn sie trägt nichts zur Knochenbildung bei.«
    Darum verwendete er mit heiligem Ernst den halben Tag
    darauf, sich den Rohstoff zum Aufbau seiner Knochen
    zuzuführen; dabei trottet er hinter seinen Ochsen her, die ihn mit ihren Pflanzenkost-Knochen samt seinem schwerfälligen Pflug über alle Hindernisse hinwegziehen. Es gibt Dinge, die von gewissen Kreisen, den hilflosesten und angekränkelten,
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