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Walden Ein Leben mit der Natur

Walden Ein Leben mit der Natur

Titel: Walden Ein Leben mit der Natur
Autoren: Henry David Thoreau
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gepflügt. Ein vermeintliches Verhängnis, allgemein »Notwendigkeit«
    genannt, treibt ihn dazu, wo es in einem alten Buche heißt, Schätze anzusammeln, die von Motten und Rost gefressen
    werden und an die sich die Diebe heranmachen. Das aber ist ein Narrenleben, wie sie erkennen werden, sobald es dem Ende zugeht - wenn nicht schon vorher. Man sagt, Deukalion und Pyrrha schufen Menschen, indem sie über ihre Köpfe
    Steine hinter sich warfen:
    Inde genus durum sumus, experiensque laborum,
    Et documenta, damus qua simus origine nati.
    Oder wie Sir Walter Raleigh klangvoll reimt:
    »Seither erträgt die Menschheit Pein, sind ihre Herzen hart, Als gält es den Beweis zu führen: vom Stein stammt unsere Art.«
    -6 -

    So geht es, wenn man einem stümperhaften Orakel blind
    gehorcht und Steine über den Kopf hinter sich wirft, ohne darauf zu achten, wohin sie fallen.
    Die meisten Männer sind, sogar in diesem verhältnismäßig freien Land, aus purer Unkenntnis und Verblendung von ihren eingebildeten Sorgen und den vielen unnötigen Mühen des Lebens so sehr in Anspruch genommen, daß sie nie dazu
    kommen, dessen edlere Früchte zu pflücken. Ihre Hände sind von der übermäßigen Plackerei zu schwerfällig und zittrig geworden. Tatsächlich hat der arbeitende Mensch heute nicht mehr die Muße, sein Leben Tag für Tag wirklich sinnvoll zu gestalten. Wahrhaft menschliche Beziehungen zu seinen
    Mitmenschen kann er sich nicht leisten; es würde den
    Marktwert seiner Arbeit herabsetzen. Es fehlt ihm an Zeit, etwas anderes zu sein als eine Maschine. Kann er sich denn auf seine Unwissenheit besinnen, wie es für sein inneres Wachstum erforderlich wäre, wo er doch so oft von seinem Wissen
    Gebrauch machen muß? Wir müßten ihn manchmal ohne
    Gegenleistung ernähren, kleiden und ihn unserer Freundschaft versichern, ehe wir uns ein Urteil über ihn bilden. Die besten Sei ten unseres Wesens bleiben uns gleich dem Flaum frischer Früchte nur dann erhalten, wenn wir sie sehr behutsam
    behandeln. Und doch gehen wir weder mit uns noch mit
    anderen so zart um.
    Wir alle wissen, wie arm manche unter uns sind, wie hart ihr Leben ist und wie oft sie gleichsam nach Luft ringen. Ich bin überzeugt, daß manche, die dieses Buch lesen, nicht imstande sind, alle Mahlzeiten, die sie tatsächlich verzehren, auch zu bezahlen, oder die Kleider und Schuhe, die sich so schnell abtragen - vielleicht schon abgetragen sind; sie müssen sich die Zeit borgen oder stehlen, um zu dieser Seite des Buches zu gelangen, und berauben ihre Gläubiger um diese Stunden. Es ist nur zu leicht zu ersehen, wie armselig und bedrückt das Leben vieler von uns ist; mein Blick dafür ist durch Erfahrung geschärft. Immer auf dem Sprung; hinein ins Geschäft - heraus aus den Schulden, aus jenem uralten Sumpf, den die Römer aes alienum, »des anderen Kupfer«, nannten, denn einige ihrer
    -7 -

    Münzen waren aus Kupfer. Leben, sterben und von »des
    anderen Kupfer« begraben werden; immer versprechen zu
    zahlen, für morgen es versprechen und heute sterben -
    insolvent; um Gunst, um Kundschaft werben, auf welche Weise immer - nur keine Gesetzesübertretungen, nicht ins Gefängnis kommen! Lügen, schmeicheln, versprechen, vor Höflichkeit zum Nichts zusammenschrumpfen oder sich in eine Wolke der Großzügigkeit auflösen - alles nur, damit der Nachbar sich die Schuhe, den Hut, den Mantel oder den Wagen bei euch
    machen läßt oder ihr ihm die Lebensmittel liefern dürft. Sich krank machen, nur um für den Fall einer Krankheit etwas zurückzulegen, das man in einer alten Schatulle oder in einem Strumpf hinter der Tapete versteckt oder noch sicherer hinter den Mauern einer Bank; Gleichgültig wo, wieviel oder wie wenig.
    Manchmal erstaunt mich die Bereitwilligkeit - wenn ich es so nennen darf -, mit der wir uns über jene brutale, aber uns doch eigentlich fremde Form der Zwangsarbeit den Kopf zerbrechen, die Negerversklavung. Dabei gibt es so viele unerbittliche und schikanöse Master, die sowohl den Süden wie den Norden
    versklaven. Ein Aufseher aus dem Süden ist hart, und einer aus dem Norden ist vielleicht noch schlimmer; am allerschlimmsten aber ist es, Sklaventreiber seiner Selbst zu sein. Redet mir nicht vom Göttlichen im Menschen! Schaut euch doch den
    Fuhrmann auf der Landstraße an, der tagsüber oder nachts zu Markte fährt. Was regt sich Göttliches in ihm? Als seine höchste Aufgabe betrachtet er es, die Pferde zu füttern und zu tränken.
    Was ist ihm
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