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Wald

Wald

Titel: Wald
Autoren: Mike Waechter
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einfach so ein Wurf. Wie wäre es mit einem lobenden Dankeswort für meine Künste?«
    Envin schnaubt panisch. Er ertastet den Dolch in dem Leichnam neben ihm. Das Wurfgeschoss steckt dem Toten präzise gezielt im Nacken. Envin nimmt seine Hand wieder zu sich und dreht sich erschrocken zur Seite, als er sieht, dass das Blut an ihr heruntertropft.
    »Wo bleibt denn nun mein Lob, Bruder?«
    Sidus sieht sich um. Die Schlacht tobt noch immer.
    »Meinst Du, ich kann Dich für einen Augenblick alleine lassen, während ich die Sache zu Ende bringe?«
    Envin öffnet seinen Mund, bekommt aber kein Wort heraus.
    »Nun gut, dann entscheide ich eben selbst. Den ein oder anderen Feind möchte ich gerne noch niederstrecken, bevor der Spaß vorbei ist. Bleibe einfach hier und gib Dir ein bisschen Mühe, keine Aufmerksamkeit auf Dich zu ziehen. Das Gemetzel ist sowieso in Kürze beendet.«
    Sidus reißt sein Ross herum und begibt sich wieder in das Getümmel. Envin kauert sich zitternd hinter den Leichnam in der Hoffnung, dadurch keinem der Feinde als Bedrohung zu erscheinen.
    Wenige Minuten später kann er endlich aufatmen, als das Horn geblasen wird. Es ist das Zeichen, dass die Feinde in die Flucht geschlagen sind. Langsam sammlen sich die überlebenden Kämpfer, Ritter zu Pferde ebenso wie die zahlreichen Fußsoldaten, und stoßen dabei ungehaltene Jubelschreie aus. Envin sieht, wie einige der Lanzenträger umhergehen und ihre Waffen in die zu Boden gegangenen Körper der Feinde stoßen, um sicher zu stellen, dass sie alle tot sind. Envin steht zitternd auf. Er jubelt nicht. Die vereinzelten Schreie, wenn wieder eine Lanze einen verletzten Gegner durchbohrt, lassen ihn erschaudern. Er ist nicht für den Krieg geboren worden. Noch nie hat er dieses Handwerk verstanden. Sein Magen zieht sich zusammen und ihm wird erneut übel. Wie wird er den Marsch zurück ins Schloss überstehen? Weitere fünf Tage, in denen er mit niemandem, außer widerlichen Soldaten und Kriegern, zusammen ist.
    Komm zur Ruhe, Envin, ermahnt er sich selbst.
    Fünf Tage, nur fünf Tage --- und dann kannst Du sie wiedersehen.

»Svetopluk, der Launische«
     
    Die Stadt liegt an einer steinigen Küstenstraße. Vor fünfhundert Jahren wurde sie von einfachen Bauernleuten auf der unwegsamen Halbinsel errichtet, die zuvor nur » der Felsen« genannt wurde. Sie flohen vor kriegerischen Reiterstämmen, die die Lande auf ihren Beutezügen immer wieder durchstreiften und die Dörfer plünderten. Im Schutze der kargen Hügel erhofften sie, endlich Sicherheit zu finden. Mit Erfolg. Die Siedlung wuchs und über die Jahre bildete sich ein reger Handel. Ein Hafen wurde in der kleinen Bucht, an der Westseite der Insel gebaut, der schmale Zugang zum Festland wurde mit einem befestigten Tor gesichert.
    Wegen der strategischen Lage für den Seehandel belagerte einige Jahrzehnte später Godingesel, Fürst des südlichen Küstenlandes, die Stadt und nahm sie mit seinen Horden nach zweitägiger Belagerung ohne große Verluste ein. Unter seiner Herrschaft expandierte die Stadt immer schneller. Bald lebten über fünftausend Einwohner dort, der Hafen wurde ausgebaut, die W eißen Mönche errichteten ein Kloster, außerdem Lagerhäuser und eine Kriegsschule, deren weiße Kuppel noch immer bis weit auf das Meer hinaus gesehen werden kann. Es dauerte nicht lange, bis jeder nutzbare Fleck bebaut war. Um die Stadt herum wurde eine drei Meter hohe Wehrmauer gezogen, an der Straße zum Landweg entstand eine Steinfestung und ebenso eine Festung auf dem Felsen nördlich der Halbinsel, um den Seeweg zu überwachen.
    Innerhalb der Stadtmauern gehen die engen Gassen, wegen des unebenen Felsbodens, auf und ab. Nur die Hauptstraße, der Triumphpfad , verläuft größtenteils ebenerdig und an allen Stellen gleich bleibend breit vom Stadttor aus direkt auf den Platz zu, der den Heldenkriegern gewidmet ist, zu dessen linker Seite das Kloster gelegen ist. Läuft man gerade aus weiter, befindet man sich auf einer langen Steintreppe, die geradewegs zur höchsten Erhebung des Stadtgebietes führt. Hier hatte sich der Fürst eine Stadtresidenz für den Sommer erbauen lassen. Doch anstatt nach dem ersten Aufenthalt in der neuen Burg zum Winteranbruch mit seinem Gefolge weiterzuziehen, blieb der Herrscher in der Stadt. Es war nämlich so, dass er die Seeluft als außerordentlich erfrischend empfand. Er blieb, bis er starb. Viele Herrscher aus seinem Geschlecht folgten im Laufe der Zeit, doch auch sie
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