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Waisen des Alls

Waisen des Alls

Titel: Waisen des Alls
Autoren: Michael Cobley
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herrschte nach wie vor tiefe Dunkelheit. Der Grat, dem sie sich näherten, wurde allein von den Fackeln und Taschenlampen der Leibwächter und des Gefolges erhellt. Dieser Ort war, dem Propheten zufolge, die heilige Ruhestätte Arigessis, eines der Gründerweisen, doch die brolturanischen Befestigungen schmälerten etwas die Bedeutung des Augenblicks.
    Hinter ihm räusperte sich Jeshkra, der gomedranische General.
    »Noch immer keine Spur von Lebewesen, Erhabener.«
    »Gut«, sagte der humpelnde Prophet. »Sehen Sie, Hurnegur? Unsere Gegner zerstreuen sich kraft unserer göttlichen Bestimmung und der schützenden Anwesenheit Arigessis, gelobt sei das Licht seiner Worte.«
    »Gelobt sei ihr ewiges Licht«, wiederholten Hurnegur und Jeshkra im Chor, doch Hurnegur vermochte das Gefühl einer Bedrohung nicht abzuschütteln. Die brolturanischen Einheiten, welche die Pässe bewachten, waren von seinen begeistert kämpfenden Bataillonen aufgerieben worden, und wie vom Propheten geweissagt, hatten die hegemonischen Feinde ihre Zitadelle geräumt. Diese günstige Entwicklung veranlasste den Gläubigen in ihm, den
Vater-Weisen inbrünstig zu danken, doch der Taktiker in ihm war unvermindert vorsichtig und wachsam.
    Sie gelangten zu einer ausgedehnten Felsenfläche, die von Beton abgelöst wurde. Darüber wachten gedrungene Türme, zwischen denen niedrige Barrieren verliefen, die potenzielle Angreifer in einen Flaschenhals leiten sollten, eine Lücke, die in die nächste Kreuzfeuerarena mündete. In den Lichtkegeln der Taschenlampen sahen sie Kampfspuren, verrußte Metallklumpen, die sich bei näherem Hinsehen als Überreste von Kampfmechas erwiesen. Dies steigerte Hurnegurs Unbehagen, als sie sich einer großen, mehretagigen Bastion näherten. Als er seinen Befürchtungen Ausdruck verlieh, reagierte der Spiralprophet abweisend.
    »Vertrauen Sie den Vater-Weisen, General. Schauen Sie sich diese uneinnehmbaren und gleichwohl verlassenen Befestigungen an. Da sehen Sie, wie prahlerische Macht, einem geheimen Plan folgend, von unsichtbaren Händen besiegt wurde. Dies hier ist ein Gräuel, errichtet auf der heiligen Ruhestätte - stellen Sie sich vor, wie es sein wird, wenn sie abgerissen wird und das göttliche Wesen in den Himmel aufsteigt, in die ihm angestammte erhabene Stätte. Kommen Sie mit mir, und Sie auch, Jeshkra.«
    Mit Hurnegur in der Mitte schritten sie zu dritt weiter, gefolgt von den Leibwächtern.
    Sie überquerten ein Landefeld aus Plastbeton, und Hurnegur begann sich zu fragen, ob in dem dunklen Gebäude vielleicht ein grauenhafter Hinterhalt oder eine Sprengfalle auf sie wartete. Der Prophet deutete zum Haupteingang, eine Doppeltür aus einem durchscheinenden Material, geschmückt mit einem komplizierten Symbol. Sie waren nur noch wenige Schritte davon entfernt, als eine tiefe Stimme über das Vorgebirge dröhnte.

    »Listenreiche, unerschrockene Erben, seid willkommen am Ort meines Triumphs!«
    Verärgert darüber, dass er seinen Instinkten keine größere Beachtung geschenkt hatte, zog Hurnegur seinen Handprojektor und musterte die Umgebung. Dann wurde ihm bewusst, dass der Prophet und Jeshkra keine Anzeichen von Angst oder Unsicherheit zeigten. Stattdessen lächelten sie einander an.
    »Er ist da«, sagte der Prophet.
    »Er ist wahrhaft groß und erhaben«, erwiderte Jeshkra.
    Hurnegur musterte sie verdattert. »Erhabener«, wandte er sich an den Propheten. »Wer ist das? Ist das … Arigessi? Jeshkra, alter Freund, was hat das alles zu bedeuten?«
    Weder der Prophet noch Jeshkra antworteten ihm. Der Gomedraner und der verkrüppelte Henkayaner blickten in die finstere Höhe.
    »Wir grüßen dich, erhabener Progenitor, und stehen demütig im Licht deiner Glorie. Wie können wir dir dienen?«
    »Werft eure Verkleidung ab, meine Sprösslinge. Die letzte Phase beginnt.«
    Mit zitternder Hand hob Hurnegur den Projektor und zielte auf den Gomedraner.
    »Jeshkra, mein Freund, wenn Sie mir nicht auf der Stelle sagen, was hier gespielt wird, erschieße ich Sie, das müssen Sie mir glauben.«
    Jeshkra und der Prophet blickten ihn von der Seite an, schwiegen aber und lächelten nur. Hurnegur bat mit einem wortlosen Gebet um Vergebung und schoss Jeshkra das eine Bein am Knie ab.
    Der Gomedraner brach lautlos zusammen, aus dem Stumpf spritzte Blut. Hurnegur fluchte, als Jeshkra sich mit starrem Lächeln auf die Knie aufrichtete. Diesmal zielte er
auf den Kopf, doch ehe er abdrücken konnte, zuckte Jeshkra, als hätte er
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