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Wahn - Duma Key

Titel: Wahn - Duma Key
Autoren: Stephen King
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habe«, sagte ich.
    » Tu perdón, amigo, vielleicht hast du ja recht«, sagte er. »Ich will dir was sagen: Wireman hat die Absicht, sich auf seine fetten, alternden Knie niederzulassen und dafür zu beten, dass du recht hast.«
    Jack deutete auf die Stablampe in meiner Hand. »Nimm wenigstens die nicht mit«, sagte er. »Entschuldige meine Ausdrucksweise, Boss, aber das ist echt eine beschissene Idee!«
    »Ich weiß, was ich tue«, sagte ich und betete zu Gott, dass das stimmte. »Und ihr bleibt beide hier, verstanden? Versucht nicht, mir zu folgen.« Ich hob die Taschenlampe und zeigte damit auf Wireman. »Bei deiner Ehre.«
    »Also gut, Edgar. Meine Ehre ist etwas zerschlissen, aber ich gebe dir mein Wort. Eine praktische Frage: Weißt du bestimmt, dass zwei Tylenol genügen, damit du auf zwei Beinen den Strand entlang zu deinem Haus kommst, oder legst du das letzte Stück kriechend zurück?«
    »Ich komme aufrecht hin.«
    »Und du rufst an, wenn du dort bist.«
    »Das tue ich.«
    Er breitete die Arme aus, und ich trat näher, damit er mich umarmen konnte. Er küsste mich auf beide Wangen. »Ich liebe dich, Edgar«, sagte er. »Du bist ein Teufelskerl. Sano como una manzana. «
    »Was heißt das wieder?«
    Er zuckte mit den Schultern. »Bleib gesund. Oder so was in der Art.«
    Jack streckte mir die Hand hin - die linke, der Junge war gelehrig - und entschied dann, dass eigentlich doch eine Umarmung angebracht war. Dabei flüsterte er mir ins Ohr: »Gib mir die Lampe, Boss.«
    Ich antwortete ebenso leise: »Kann nicht. Sorry.«
    Ich folgte dem gepflasterten Weg, der zur Rückseite des Hauses führte, wo der Holzsteg hinunter zum Strand begann. Am Ende dieses Holzstegs hatte ich vor ungefähr tausend Jahren den bulligen Mann kennengelernt, den ich jetzt hinter mir zurückließ. Er hatte unter einem gestreiften Sonnenschirm gesessen. Er hatte mir grünen Eistee angeboten, sehr erfrischend. Und er hatte gesagt: So - der hinkende Fremde trifft ein.
    Und nun geht er wieder, dachte ich.
    Ich drehte mich um. Die beiden sahen mir nach.
    »¿Muchacho?«, rief Wireman.
    Ich dachte, er würde mich auffordern, zurückzukommen, damit wir über die Sache noch ein bisschen länger nachdenken und ein bisschen länger diskutieren konnten. Aber ich hatte ihn unterschätzt.
    »Vaya con Dios, mi hombre.«
    Ich winkte ihm ein letztes Mal zu, dann ging ich um die Hausecke weiter.
     
     
     
     
     
     
    III So begab ich mich dann auf meine letzte Große Strandwanderung - hinkend und unter Schmerzen wie bei den ersten an diesem mit Muscheln übersäten Strand. Nur hatten sie damals alle im rosigen Licht des Tagesanbruchs stattgefunden, als die Welt am stillsten war und die einzigen Bewegungen von dem sanften Wellenschlag und den in braunen Wolken vor mir auffliegenden Piepser kamen. Diesmal war es anders. In dieser Nacht tobten der Sturm und die Wellen, die am Strand nicht sanft ausliefen, sondern dort Selbstmord begingen. Weiter draußen glänzten die Schaumkronen der Brecher im Mondschein, und ich glaubte mehrmals, aus den Augenwinkeln heraus die Perse zu erkennen, aber wenn ich wirklich hinsah, war nichts zu sehen. Vor meinem Strandabschnitt gab es in dieser Nacht nur mondhelles Meer.
    Ich schlingerte weiter, hielt die Stablampe mit der Hand umklammert und dachte an den Tag, an dem ich hier mit Ilse gewandert war. Sie hatte mich gefragt, ob dies der schönste Ort der Welt sei, und ich hatte ihr versichert, dass es mindestens drei weitere gebe, die schöner seien... aber ich wusste nicht mehr, welche ich ihr genannt hatte, sondern nur noch, dass sie schwierig zu buchstabieren waren. Am deutlichsten erinnerte ich mich daran, dass sie gesagt hatte, ich hätte diesen schönen Ort verdient. Und die Zeit, um mich auszuruhen und zu genesen.
    Dann kamen die Tränen, und ich versuchte sie nicht daran zu hindern. Die Hand, mit der ich sie hätte wegwischen können, hielt die Taschenlampe, also ließ ich sie kommen.
     
     
     
     
     
     
    IV Ich hörte das Big Pink, bevor ich es wirklich sah. Die Muscheln unter dem Haus waren noch nie so laut gewesen. Ich ging noch ein Stück weiter, dann machte ich halt. Es stand nun dicht vor mir: ein schwarzer Klotz, der die Sterne verdeckte. Nach weiteren vierzig oder fünfzig langsamen, hinkenden Schritten ließ mich der Mondschein allmählich Einzelheiten erkennen. Nirgends brannte Licht, auch nicht in der Küche und im Florida-Raum, wo ich das Licht immer anließ. Daran konnte ein vom Sturm
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