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Wahlkampf: Ein Mira-Valensky-Krimi

Wahlkampf: Ein Mira-Valensky-Krimi

Titel: Wahlkampf: Ein Mira-Valensky-Krimi
Autoren: Eva Rossmann
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wenige. Offiziell zählten dazu alle Sozialdemokraten. Aber ebenso einige Konservative – auch wenn es die wenigsten offen zugeben wollten – und eine Hand voll drittrangiger Funktionäre kleinerer Parteien.
    Wir hatten nun das Großraumbüro durchschritten und trafen auf Chloe Fischer, die sich ihr Chanelkostüm zurechtzupfte und uns erwartete. Sie hatte sorgsam frisierte halblange blonde Haare, trug exquisite, aber keineswegs extravagante Kleidung und eine Tasche, in die jede Menge Unterlagen hineinpassten und die dennoch nicht klobig wirkte. Tadellose Figur, um die 40 – alt genug, um Kompetenz auszustrahlen, jung genug, um nicht jenseits von Gut und Böse zu sein. Erfolgreiche Chefin einer Werbefirma, erfolgreiche Sachbuchautorin. Sie würde auch eine erfolgreiche Wahlkampfmanagerin sein. Denn dass Vogl gewinnen würde, war klar. Sie gab mir mit einer sparsamen Bewegung die Hand. Ein fester, kurzer, kühler Händedruck.
    Vogl bat mich, mit in die »hinteren Räume« zu kommen. Orsolics hielt sich weiter dicht an meiner Seite. »Transparenz«, sagte er, »maximale Transparenz. Bei uns kann jeder alles sehen. Wir sind offen.« Der Mann hatte kein Distanzgefühl, und auch der schickste italienische Anzug konnte nicht verdecken, dass er zu schmale Schultern hatte und unter ständigem Beweisdruck stand. Ich bin gut, sieh mich an, dann merkst du es.
    Vogl redete leise auf Chloe Fischer ein. Chloe Fischer nickte einige Male. »Entschuldigen Sie, zehn Minuten Auszeit. Orsolics wird sich um Sie kümmern.« Irgendwie klang Vogl nicht ganz entspannt.
    »Transparenz?«, fragte ich Orsolics und grinste. Entweder hatte er meine Bemerkung wieder nicht begriffen, oder er ignorierte sie gekonnt. Vogl und Chloe Fischer, dahinter Orsolics und ich. Wir gingen durch einen Gang mit dunkelgrünem Teppichboden und holzgetäfelten Wänden. Das hatte nichts mit der schicken Helligkeit im Hauptquartier zu tun. Vogl und Fischer verschwanden hinter einer Doppeltür. »Zehn Minuten«, rief mir Vogl noch einmal zu.
    Auch Orsolics Zimmer hatte nichts mit dem cremefarbenen Großraumbüro des Hauptquartiers zu tun. Es war von oben bis unten mit Nussholz ausstaffiert. Decke, Boden, Regale. Unbezahlbar.
    »Wir haben alles billig aus der Konkursmasse einer Privatbank mieten können«, sagte Orsolics. Er stand hinter einem imposanten Schreibtisch, natürlich auch aus Nussholz, und deutete meinen Blick falsch. »Ein schönes Stück, nicht wahr? In meiner Parteizentrale regiert noch immer das Resopal der siebziger Jahre. Ich war damals schon mit dabei, nicht gerade im Zentrum der Macht, aber immerhin. Ich hatte eine Schülergruppe mit allem Drum und Dran. Erste-Mai-Aufmärsche mit der hohen, fernen Tribüne, dem Kanzler, den Ministern und den vielen roten Nelken. Damals ist es mir vorgekommen, als ob ganz Wien auf den Beinen wäre.« Orsolics lächelte nachsichtig. »Ganz Wien war es nicht, das weiß ich inzwischen. Vieles hat sich geändert. Die Zeit der Großveranstaltungen ist vorbei. Über Medien kann man viel mehr Menschen erreichen als mit der größten Großveranstaltung.« Das Menschliche am Wahlkampf. Ich stellte mir kurz vor, wie ganz Wien durch Vogls Esszimmer zog und seiner Familie beim Frühstücken zusah. Orsolics war nicht zu stoppen.
    »Vor einigen Wochen war ich wieder einmal in Amerika. Die können schon etwas, alles, was recht ist. ›Moving people‹ hat das Seminar geheißen. Ein Berater des amerikanischen Präsidenten war unser Trainer. Eine spannende Sache. Wobei man das alles auch nicht überschätzen darf. Im Mittelpunkt muss der Mensch sein. Und eine ehrliche Politik. Nur dann funktioniert es. Das ist professionelle Arbeit.«
    Ja, sicher. Orsolics sah mich an, als wollte er, dass ich endlich mitschreibe. Vielleicht keine schlechte Idee. Kein Gift, hatte es geheißen. Aber ich musste das hier ja nicht kommentieren. Ich zog meinen kleinen Block aus der Tasche und schrieb: »Im Mittelpunkt muss der Mensch sein. Und eine ehrliche Politik. Moving people.«
    Orsolics fühlte sich angefeuert. »Unser alter Präsident – er möge in Frieden ruhen – hat sich mit solchen Dingen nicht beschäftigt. Wissen Sie, was er immer wieder gesagt hat? ›Schaut’s, dass den Leuten nicht fad wird!‹ Gar nicht so übel, auch wenn er natürlich von Kommunikationstechniken keine Ahnung hatte. Aber er hatte ein gutes Gespür.«
    Der alte Präsident war vor einigen Monaten gestorben. Er war populär gewesen. Er hatte als gütiger Mann, Vater und
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