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Wahlkampf: Ein Mira-Valensky-Krimi

Wahlkampf: Ein Mira-Valensky-Krimi

Titel: Wahlkampf: Ein Mira-Valensky-Krimi
Autoren: Eva Rossmann
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Umfragewerte. Wären heute Wahlen, würden 63 Prozent Vogl wählen, 17 Prozent seine Gegenkandidatin Mahler und vier Prozent einen der restlichen fünf Kandidaten. 16 Prozent waren sich sicher, nicht zur Wahl gehen zu wollen. Vogl setzte sein einstudiertes Lächeln auf. »Der Erfolg gebührt euch allen.« Nun lächelten alle.
    Der Chauffeur, Adjutant Miller und zwei rundäugige Sicherheitsbeamte warteten bereits. Höchste Zeit für einen weiteren Auswärtstermin: Happy Hour mit einigen Generaldirektoren.
    Adjutant Miller hielt einen Kleidersack, als handle es sich um militärisches Gerät. »Ich habe ihn geholt, Herr Doktor Vogl«, meldete er.
    »Adjutant Miller hat schon dem alten Präsidenten treu gedient. Da man beim Heer nicht recht wusste, was man mit ihm nach dem Tod des alten Präsidenten anfangen sollte, haben wir ihn bekommen.« Orsolics’ Mund war schon wieder zu nah an meinem Ohr. Ich würde in Zukunft hohe Schuhe anziehen. Der Adjutant. Nützlich, treu und mit einer guten Uniformfigur. Vogls Sekretärin seufzte und nahm den Anzug in Empfang.
    Die Kappen waren rechtzeitig geliefert worden. Es war ein lauer Spätsommerabend. Von überall strömten Menschen herbei. Freier Eintritt. Der Chef des Tiergartens, immer mit einem Auge auf TV-Kameras und Fotoapparate schielend, begrüßte den Kandidaten schon mit einem Vogl-Käppchen, freundliche Worte wurden für alle hörbar in ein Mikrofon gesprochen. Wolfgang A. Vogl schritt mit seinem Stab und einigen prominenten Persönlichkeiten seines Unterstützungskomitees quer durch den Tiergarten. Vor dem Affenkäfig großes Gedränge, im Affenkäfig ebenfalls. »Sie haben etwas von uns – oder wir von ihnen?«, sagte Vogl scherzend. Aufgezeichnet von einigen Fernsehkameras, abgelichtet von einem Pulk von Fotografen, wahrgenommen von einer Reihe Journalisten. Sein Humor schien anzukommen. Ich konnte kaum mehr stehen, wahrscheinlich machte mich das so humorlos.
    Besonders lange hielt sich Vogl beim Bauernhof auf. Einer phlegmatischen Kuh streichelte er die Nüstern. Mir schien es, als hätte er Angst, gebissen oder zumindest angesabbert zu werden. Ganz flach hielt er die Hand. Aber die Kuh war einiges gewöhnt. Aus den Details der Umfrage wusste ich, dass Vogl bei den Bauern noch nicht besonders gut lag.
    Vogl ließ sich sichtlich zufrieden auf den Rücksitz des BMW fallen. Es war gegen 22 Uhr. Ein Glück, dass der tschechische Außenminister krank geworden war. Sonst wäre dieser Arbeitstag noch nicht zu Ende gewesen. Mein Fotograf blitzte Vogl beim Einsteigen, und wir fuhren bis zu seiner Villa mit. Vogl genoss es sichtlich, dass zwei Sicherheitsmänner beim Gartentor warteten, ihm aufsperrten und ihm einen guten Abend wünschten. Er verabschiedete sich von uns. »Ein freier Abend«, sagte er mit jungenhaftem Lächeln.
    Mein Fotograf stieg in seinen Wagen und fuhr ab. Ich ging zu meinem Auto und sah Vogl immer noch vor seiner Haustüre stehen. Er schien sich nicht aufraffen zu können hineinzugehen. Im Licht der Türlampe und ohne Lächeln wirkte er auf einmal viel älter.
    Gegessen hatte ich den ganzen Tag so gut wie nichts, getrunken bloß etwas lauwarmes Mineralwasser einer Sponsorfirma, das überall im Wahlkampfbüro herumstand. Ich nahm den Weg durch die Stadt. Als ich hinter einem Straßenreinigungswagen herzockelte und beobachtete, wie dieser die am Straßenrand geparkten Autos mit Schmutz vollspritzte, entdeckte ich die offene Tür einer Bar. Und direkt vor dem Lokal sah ich einen freien Parkplatz. Das war Einladung genug. Chance auf einen irischen Whiskey und einen Happen zu essen. Ich trat ein.
    Das Lokal war nur spärlich besetzt. Ich kenne nur in Wien Bars, die um zehn am Abend schon so wirken, als wäre es lange nach Mitternacht. Ich mag die Stimmung dieser Bars, das Halbdunkel, die unbestimmbare Musik, die unbestimmbare Stunde, sogar den Rauch.
    Ich setzte mich auf einen Hocker an der Theke und bestellte Tapas und Jameson.
    Die Plätze neben mir waren leer. An der einen Ecke der Theke ein Pärchen. Sie saß auf einem Hocker, er stand und hatte sie fest umschlungen. Warum gingen sie nicht heim? Ich beobachtete sie in der Spiegelwand. Die beiden sprachen kein Wort, hielten sich bloß fest. Ich ließ mich von der melancholischen Stimmung tragen. Der milde Whiskey wärmte meine Magenwände. Die Barfrau gähnte und rieb sich das eine Bein am anderen. Wehe Füße. Jetzt schon. Noch einen Whiskey bitte.
    Einige der kleinen Tische waren besetzt, in einer Nische
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