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Wahlkampf: Ein Mira-Valensky-Krimi

Wahlkampf: Ein Mira-Valensky-Krimi

Titel: Wahlkampf: Ein Mira-Valensky-Krimi
Autoren: Eva Rossmann
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guter gebrauchter Kleinwagen. Man muss eben Prioritäten setzen …
    »Vesna!«, rief ich. »Wie bist du heute hergekommen?« Gleich würde ich wissen, ob es wirklich ein guter Tag war.
    »Mit der Straßenbahn, natürlich«, rief Vesna zurück.
    Es war ein guter Tag. Vesna war eine vernünftige und praktische Frau. Aber sie hatte eine Leidenschaft: ihr Motorrad. Ein Motorrad der besonderen Art. Ihr Lieblingsbruder war Mechaniker, und noch in Bosnien hatte sie mit ihm dieses Motorrad konstruiert. Vesna hatte damals schon einen Motorradführerschein gehabt, und nach Meisterung vieler bürokratischer Hürden war es ihr sogar gelungen, ihn in einen in Österreich gültigen umzuwandeln. Aber es war unmöglich, für dieses Motorrad einen Typenschein zu bekommen. Es bestand aus den unterschiedlichsten Teilen, und ich hatte den Verdacht, dass nicht einmal alle Teile von einem Motorrad stammten. Der Motor jedenfalls war zu stark, und der Lärm war ohrenbetäubend. Vesna war durch ihre Mischmaschine schon einige Male in Schwierigkeiten gekommen. Der Aufenthaltsstatus der Bosnierin war eher schwebend, und es war besser, nicht mit der Polizei in Konflikt zu kommen. Noch hatte ich sie immer heraushauen können. Mit Journalistinnen legte sich die Polizei nicht ganz so gerne an. Vesna versprach regelmäßig, sich mit ihrem Gerät nicht mehr blicken zu lassen. Aber stets brach sie ihr Versprechen. »Spaß, der Mensch braucht Spaß«, sagte sie dann zerknirscht.
    Heute war Vesna trotz Schönwetters mit der Straßenbahn gekommen. Wunderbar. Meine Putzfrau würde mir erhalten bleiben. Ich sah mit gerunzelter Stirn auf die neu erworbenen Flaschen und auf meinen Weinschrank. Egal, wie ich die Flaschen schlichtete, ich würde nicht alle unterbringen.
    Vesna wischte gerade mit einem feuchten Tuch die Küchenregale ab. »Ein so großer Kühlschrank, und nur für Mira Valensky«, sagte sie. Vorräte beruhigen mich, so ist das nun einmal. Jeder braucht einen Halt im Leben. Und immerhin würde ich die nächsten zwei, drei Monate nicht mehr ins Veneto kommen. Arbeit war angesagt, das Minus auf meinem Konto musste erst wieder ausgeglichen werden.
    Vesna erzählte von ihren Zwillingen. Sie waren Klassenbeste und hatten so den Spott einiger Mitschüler auf sich gezogen. »Ich sage ihnen: Nicht zuerst hinhauen, aber wenn sie euch hauen, zurückhauen. Wehren! Das muss man.« Vesna hatte die linke Hand zur Faust geballt, und mit der anderen fuhr sie weiter über die Regale.
    Ich schüttelte den Kopf. »Es sind nicht alle mutig. Bin ich auch nicht.«
    »Ah, so?« Vesna sah mich ungläubig an.
    »Ich bin feig, war ich immer schon.«
    »Ich nicht«, sagte Vesna stolz. Ja, das war klar.
    Wut war das einzige, was mich meine Feigheit vergessen ließ. Ich erinnerte mich an meinen um einige Jahre älteren Cousin. Als er in dem Alter gewesen war, in dem er nicht wusste, ob er Mädchen verprügeln oder verführen sollte – im Zweifel entschied er sich für das erstere –, hat er mich verspottet. »Elefant, Elefant«, hat er gejault, »groß und schwer wie ein alter Bär, groß und dumm schaut die Kuh herum!« Da bin ich ausgerastet und habe ihn mit bloßen Fäusten verprügelt, bis er weinend davongelaufen ist. Mein starker Cousin, für den ich eigentlich eine Schwäche gehabt hatte. Aber das hatte meine Wut nur noch größer gemacht. Jetzt war er irgendwo Oberarzt, und er hatte vor langem entschieden, dass es doch angenehmer war, Frauen zu verführen, als sie zu verdreschen. Ein eitler Affe mit manikürten Fingernägeln. Wenn, dann war seine Brutalität jetzt anderer Art.
    »Außer man macht mich wütend«, sagte ich. Vesna sah irritiert auf. Sie war mit ihren Gedanken schon ganz woanders.
    Ich ging ins Wohnzimmer. Der große weiß gestrichene Raum wird von einem alten langen Holztisch dominiert. Dort esse und arbeite ich. An einem Ende stapelte sich Papier. Darunter mussten meine Unterlagen für heute Nachmittag sein. Mal sehen. Ja, hier waren sie.
    Ich hätte es ohne weiteres noch einige Wochen ohne Arbeit ausgehalten. Wahrscheinlich würde ich es überhaupt ohne Arbeit aushalten. Aber ich verdiente auf eine bequeme Art und Weise mein Geld. Und diesen Nachmittag konnte es sogar interessant werden. Ich sollte den neuen Star der Schweizer Literaturszene interviewen. Der junge Mann hatte in letzter Zeit nicht nur durch seine Bücher, sondern auch durch kritische Aussagen über seine Heimat, Politik, das Militär und den Papst für Aufsehen gesorgt.
    In
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