Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wahlkampf: Ein Mira-Valensky-Krimi

Wahlkampf: Ein Mira-Valensky-Krimi

Titel: Wahlkampf: Ein Mira-Valensky-Krimi
Autoren: Eva Rossmann
Vom Netzwerk:
dunkelbraunen Haare, die er seit neuestem an den Schläfen grau werden ließ. Berühmt war sein Lächeln. Am Beginn seiner steilen Karriere hatte er einfach hin und wieder gelächelt – glücklich, verlegen, stolz oder einfach so. Inzwischen hatte er längst gelernt, sein Lächeln bewusst einzusetzen. Und er hatte die Nuancen seines Lächelns verfeinert. Zumindest stand das in der jüngsten Ausgabe einer Fernsehillustrierten. »Profis der Politik« hatte der Artikel geheißen. Toll, womit ich mich jetzt beschäftigte.
    Vogls Enkeltochter, ein pausbäckiges fröhliches Kind, thronte ruhig auf einem Hochstuhl. Johannes Orsolics, der Unvermeidbare, strich sich Butter auf sein Kipferl. Orsolics war Public-Relations-Chef der Sozialdemokraten. Derzeit war er jedoch zur Unterstützung Vogls von der Partei mehr oder weniger freigestellt worden. Ich versicherte, dass mein Fotograf keinesfalls beim Essen stören wolle und daher bloß ganz im Hintergrund einige Bilder … Freundlichst wurde alles gestattet und mir ein Platz angeboten. Ich setzte mich und sagte, ich hätte schon gefrühstückt. Das war zwar nicht wahr, aber gewisse Familienszenen schlagen mir einfach auf den Magen. Vogls Tochter nahm auch Platz und verteilte ihr Lächeln wie der Nikolaus Geschenke. Es folgte ein »Könntest du mir bitte die Butter reichen?«, und »Danke, mein Schatz!«, und »Sieh nur, wie brav Evi ist!«, und »Noch etwas Toast, du solltest kräftig essen. Du hast heute wieder einen schweren Tag vor dir.«
    Wer nicht, dachte ich und machte mir keinerlei Notizen. Was hätte ich auch aufschreiben sollen? Dass sich der Kandidat mit seiner Tochter gestritten hatte?
    Aber ich hatte ja noch den ganzen Tag, um Menschliches am Kandidaten und in seinem Umfeld zu erkennen. Jung sah er aus und ausgeschlafen. Jünger als 52 und zu jung für ein Enkelkind. Er konnte sogar wirklich ganz sympathisch lachen. Aber irgendwie hatte ich das alles schon einmal im Werbefernsehen gesehen.
    Wenig später sprangen wir aus dem Auto, mit elastischen Schritten ging Vogl die Treppe zur Wahlkampfzentrale hoch. Alles war so dynamisch. Ich hasste Dynamik am frühen Morgen. Der Fotograf hatte schon mindestens zehn Filme verschossen. Vogl konnte nicht genug davon bekommen. Die Doppeltüre flog automatisch auf, wieder einige Stufen, und wir gingen durch ein helles Foyer mit eifrig telefonierenden jungen Frauen in einen riesigen Raum, etwa dreihundert Quadratmeter groß. Überall cremefarbene Holztische mit Computern und vor den Bildschirmen junge schlanke Menschen in T-Shirts, auf denen »Vogl« stand. Zwei stilisierte Flügel ließen unweigerlich an Fliegen, Aufwärts, Abheben denken. Überall gutes Design und gutaussehende Mitarbeiter, die lächelnd irgendetwas taten. Orsolics machte eine raumgreifende Bewegung. »Das ist das Herz unserer Wahlkampfzentrale. Das Hauptquartier. Unsere Medienberater hätten es gerne War-Room genannt, nach dem Wahlkampfzentrum des amerikanischen Präsidenten. Aber unser Kandidat hat das abgelehnt. Vogl ist für den Frieden. Für Frieden um jeden Preis.« Er sah mich beifallsheischend an.
    Ich nickte.
    »Uns geht es um einen Wettstreit der besseren Ideen. Deswegen ist uns das Wort Wahlbewegung auch viel lieber als Wahlkampf.«
    Ich hatte den Eindruck, das alles schon einmal gehört zu haben.
    Vogl ging von Tisch zu Tisch. Er musste etwas verborgenes Messianisches haben, denn die jungen Frauen und Männer strahlten, als er ihnen die Hände schüttelte. Er kannte sie alle beim Namen, er fragte nach Fortschritten und Details. Und er lächelte. Orsolics beugte sich viel zu nahe zu mir und erklärte mir, wer welcher Arbeitsgruppe angehörte. Da gab es die Veranstaltungsgruppe, die Vogl-für-Arbeit-für-alle-Gruppe, die Katholiken-für-Vogl-Gruppe, die Wirtschaft-sindwir-alle-Gruppe, die Gruppe Gegnerbeobachtung.
    »Sie haben Gegner?«, fragte ich Orsolics mit leisem Spott, den er nicht verstand. Er war irritiert. »Mitbewerber, Mitbewerber.«
    »Und wen beobachten Sie, wenn Sie Gegner beobachten?«
    Orsolics ging weiter. Statt mir zu antworten, präsentierte er mir die Parteien-für-Vogl-Gruppe. Auf sie war Orsolics besonders stolz. »Sie ist meine Idee gewesen. Die Gruppe kümmert sich im Wahlkampf um alle Parteien und Parteifunktionäre, die den Kandidaten unterstützen. Damit klar ist, dass er nicht als Sozialdemokrat antritt, sondern als Mensch. Diese Gruppe betreut die Menschen aus Parteien, die für den Menschen Vogl sind.«
    Und das waren nicht
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher