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Vorzeitsaga 05 - Das Volk an der Küste

Vorzeitsaga 05 - Das Volk an der Küste

Titel: Vorzeitsaga 05 - Das Volk an der Küste
Autoren: Kathleen O'Neal Gear , W. Michael Gear
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seinem Körper wühlten Schmerzen, wie er sie noch nie gehabt hatte. Krampfhaft versuchte er aufzustehen, um wegzulaufen, doch der Bär sprang vor und schloß die Zähne um Klebkrauts verwundetes Vorderbein. Außer sich vor Wut schüttelte ihn der Bär. Genau so, wie er selbst vor nicht allzulanger Zeit Sonnenjäger geschüttelt hatte …
    Klebkraut heulte auf, als er hörte, wie seine Knochen zerbrachen, und fühlte, wie Splitter in sein Fleisch drangen. Heiß wallte Blut in seinem Mund auf. Hatten Splitter zerbrochener Rippen seine Lunge durchstoßen?
    Plötzlich spie der Bär Klebkraut aus und hielt inne, um auf ihn Niederzubücken. Klebkraut versuchte blinzelnd durch den immer dichter werdenden grauen Schleier vor seinen Augen hindurchzublicken, schluckte die Flut des süßlich schmeckenden Bluts hinunter und flüsterte: »O nein … Sonnenjäger! Ich wußte nicht, daß Träumer sich in Tiere verwandeln können. Ich dachte, nur Hexer …«
    Das Mammut trompetete, und eine ganze Mammutherde antwortete von verschiedenen Stellen in den Vorbergen. Die Augen des Bären weiteten sich, und lauschend hob er die blutige Schnauze.
    Klebkraut sackte gegen die Steine, und sein Schädel schlug dumpf auf dem Boden auf. Durch die dichte Schicht von Walderde und Kiefernnadeln hörte er, wie die rhythmischen Schritte des Bären sich eilig entfernten.
    Klebkrauts Augen waren schwer, so schwer, daß er sie nicht offenhalten konnte.
    Er wußte nicht, wie lange er so gelegen und dem Rascheln des Windes im Gras gelauscht hatte, aber schließlich zogen donnernde Gewitterwolken über den Himmel, begleitet von grellen Blitzen, und aus ihren schwarzen Bäuchen sprangen die Donnerwesen. Mit glitzernden Flügeln schössen sie durch die Bäume herab. Regen prasselte auf Klebkrauts blutverkrustetes Fell nieder. Würzig stieg der Geruch von feuchter Erde und Kiefern auf. Über ihm schwirrten Fliegen und legten schon Eier in sein aufgerissenes Fleisch.
    Zusammen mit den anderen Aasfressern würden die Maden kommen. Für die war ein toter Riesenwolf ein Fest. Maden, wimmelnde Maden. Sie würden sein Lob singen … und singen … und singen …
    Vor Klebkrauts Augen wurde es schwarz. Er kämpfte dagegen an und schlug mit seinem zerfetzten Bein in die Luft, wie um zu rennen. Doch er wußte, daß die Anstrengung vergebens war. Die Möwen und Raben berichteten krächzend und kreischend von jeder seiner Bewegungen, und er konnte die Mammuts riechen, die ruhig herankamen und sich über ihn stellten. Die Kuh roch nach Farn und Gras.
    Das Kalb hatte noch die Süße der Milch in seinem Atem.
    Verschwommen sah er ihre Gestalten durch den Tränenschleier in seinen Augen.
    »Dummer Mensch«, sagte die Kuh und streckte den Rüssel aus, um eine Handvoll Gras abzureißen, das neben dem Steinhaufen hoch aufragte. Sie steckte sich das Gras ins Maul und zerkaute es langsam.
    »Dachtest du, du könntest die Macht für deine eigenen Zwecke benutzen, ohne jemals den Preis dafür zahlen zu müssen? Entweder läßt du dich von der Macht benutzen, um ihre Ziele zu erreichen, oder du stirbst. Du hast Glück gehabt, daß du überhaupt so lange am Leben geblieben bist. Am Ende siegt die Macht immer.«
    »Junge!«
    Die Worte zogen im Land der Toten von Sternenlicht beleuchtete Kreise. Das ganze Sternenvolk hörte blinzelnd und flackernd zu. Um sie herum erstreckte sich die Finsternis wie gegen eine endlose Küste anrennende Wellen.
    Der Mann legte lauschend den Kopfschief. Von weit unten drang das Geräusch von Regen herauf, der auf Eichenblätter und trockenen Boden trommelte, und der volle Geruch der Rundblättrigen Glockenblume stieg zu ihm empor. Dann antwortete die Stimme eines kleinen Jungen:
    »Ja, Mann?«
    Ich möchte etwas mit dir besprechen.«
    »Was denn?« fragte der Junge.
    ,Morgen wird deine Mutter dich wieder zu den Sternen zurücksingen. Macht dich das glücklich?«
    Der Mann konnte fühlen, wie der Junge über die Frage nachdachte.
    Schließlich antwortete der Junge: »Ich weiß es nicht, Mann.«
    ,Aber ich dachte, du haßt es, in diesem toten Körper gefangen zu sein.«
    »Ja, zuerst war es so. Aber früher, als ich unter den Sternen lebte, habe ich so viele Dinge gefürchtet.
    Dinge, die ich jetzt nicht mehr fürchte. Ich habe etwas gelernt, Mann.«
    ,Erzähl mir davon.«
    Der Junge atmete ruhig aus. »Ich habe gelernt, daß eine Seele, die sich wahrhaft mit dem Tod umgibt, niemals vor irgend etwas fürchtet. Und die Welt, durch die Augen des Todes
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