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Vortex: Roman (German Edition)

Vortex: Roman (German Edition)

Titel: Vortex: Roman (German Edition)
Autoren: Robert Charles Wilson
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irgendeine seltsame Zukunft .« Sie rammte einen Absatz in die feuchte Erde. »Als ob ich hier fremd wäre. So wie du.«
    Kurz vor Sonnenuntergang erreichten wir den Rand der Insel. Rand , nicht Ufer . Hier sprang einem sofort ins Auge, dass die Insel ein künstliches Konstrukt war. Der Wald wich einem nahezu senkrechten, gut hundert Meter tiefen Steilhang aus nacktem Fels. Etwa achthundert Meter entfernt war die nächste Insel des Archipels zu erkennen. »Schade, dass es keine Brücke gibt«, sagte ich.
    »Gibt es«, erwiderte Treya. »Eine Art Brücke. Wir müssten sie eigentlich sehen können.«
    Sie legte sich auf den Bauch, robbte an den Rand des Steilhangs und gab mir mit einem Wink zu verstehen, das Gleiche zu tun. Nicht dass ich Höhenangst hatte – in der Welt vor dieser Welt hatte ich meine Brötchen als Pilot verdient –, aber meine Nase über diese senkrechte Wand zu schieben, gehörte wahrlich nicht zu den angenehmsten Momenten meines Lebens. »Da unten«, sagte Treya und deutete mit dem Finger. »Siehst du sie?«
    Die Meerenge zwischen den Inseln lag bereits im Dunkeln. Seevögel nisteten, wo Jahrhunderte aus Wind und Regen Vertiefungen in den harten, künstlichen Fels geschnitzt hatten. Weit links war zu sehen, was sie meinte. Eine Tunnelröhre verband die Inseln, wobei nur das andere Ende an der dortigen Steilwand zu erkennen war. Die Röhre war ein salzverkrusteter, dunkler Schemen, so dunkel wie die See darunter. Schwindelgefühl und ungünstige Perspektive machten es schwer, ihre wahren Dimensionen abzuschätzen, aber ich hätte gewettet, dass darin ein Dutzend Trucks nebeneinander von einem Ende bis zum anderen hätten fahren können, ohne sich in die Quere zu kommen. Und doch gab es weder Taue, Stahlseile oder Träger – irgendwie brachte dieses Bauwerk es fertig, sich selbst zu tragen. Jede Insel im Archipel verfügte über ein eigenes Antriebssystem, das zentral, also von Vox-Core aus, gesteuert wurde; trotzdem musste die Verbindung zwischen diesen gewaltigen, schwimmenden Massen enorme Torsionskräfte hervorrufen, auch wenn der Tunnel nur einen Bruchteil davon abbekam.
    »Automatische Frachtschlitten transportieren die rohe Biomasse durch den Tunnel nach Vox-Core und die Raffinade zurück zu den Farmern«, sagte Treya. »Der Tunnel ist nicht für Fußgänger gedacht, aber das soll uns nicht kümmern.«
    »Wie kommen wir hinein?«
    »Überhaupt nicht. Dazu müssten wir zu den unterirdischen Verladestationen. Wir müssen darüberlaufen.«
    Ich sah sie skeptisch an.
    »Es gibt eine Treppe in der Steilwand«, fuhr sie fort. »Man kann sie von hier aus nicht sehen. Die Stufen wurden während der Bauarbeiten aus dem Granit geschnitten und sind wahrscheinlich etwas erodiert. Das wird kein Spaziergang.«
    »Aber die Oberfläche des Tunnels ist gewölbt und sieht ziemlich glitschig aus.«
    »Womöglich ist sie breiter, als du denkst.«
    »Oder auch nicht.«
    »Wir haben keine Wahl.«
    Doch für heute war es zu spät für ein so zeitraubendes Unterfangen; knapp zwei Stunden Tageslicht würden nicht reichen.
    Wir zogen uns ein Stück in den Wald zurück und schlugen unser Nachtlager auf. Ich sah, wie Treya sich einen weiteren Schuss setzte. »Das Ding wird wohl nie leer?«
    »Die Spritze? Sie hat ihren eigenen Metabolismus. Beim Injizieren zweigt sie ein bisschen Blut ab und benutzt es als Rohmaterial, um aktive Moleküle zu katalysieren. Körperwärme und Licht liefern die nötige Energie. Dir hat sie etwas gegen Angst gespritzt. Ich bekomme etwas anderes.«
    Ich hatte es abgelehnt, weitere Medikamente zu nehmen – ich hatte beschlossen, mit meinen Ängsten zu leben. »Und woher weiß sie, was sie zusammenbrauen soll?«
    Treya kräuselte die Stirn wie immer, wenn sie über etwas stolperte, wofür ihre unsichtbare Tutorin Allison Pearl keinen Begriff parat hatte. »Sie macht erst ein Blutbild und dann einen plausiblen Vorschlag. Und nein, leer wird sie nie. Man muss ihr nur Zeit lassen, sich aufzuladen. Und die hier wird allmählich müde.« Sie sah mich an. »Aber wenn du möchtest – sie ist noch okay.«
    »Nein, danke. Was spritzt sie dir?«
    »Eine Art … man könnte es einen kognitiven Verstärker nennen. Er hilft, zwischen realen und virtuellen Erinnerungen zu unterscheiden, die Grenzen aufrechtzuerhalten. Ein Provisorium, mehr nicht.« Treya fröstelte im Schein des Feuers. »Was ich wirklich brauche, ist das Netzwerk.«
    »Erzähl mir mehr über das Netzwerk. Was soll ich mir darunter
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