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Vortex: Roman (German Edition)

Vortex: Roman (German Edition)

Titel: Vortex: Roman (German Edition)
Autoren: Robert Charles Wilson
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einem Dutzend Sprachen »Wolkenhafen« nannten (oder genannt hatten).
    Wolkenhafen war eine Wasserwelt, durchzogen von tektonisch gewachsenen Inselketten. Auf ihren natürlichen und später auch künstlichen Archipelen hatte eine gutartige und relativ friedliche menschliche Gemeinschaft gelebt. Vorherrschende Regierungsform war die kortikale Demokratie gewesen; daneben hatte es einige Niederlassungen radikal bionormativer Marsianer gegeben. Doch seither waren Jahrtausende vergangen. Es war zu erwarten, dass sich manches – oder alles – geändert hatte.
    Allison erkundigte sich mit leiser Stimme nach dem Status quo von Wolkenhafen.
    Ich hatte natürlich nach Streusignalen gefischt. Vergebens. Entweder gab es keine oder ich konnte sie nicht als solche identifizieren. Doch das konnte auch heißen, dass die ansässige Zivilisation hochgradig verlustarme Kommunikationstechniken benutzte. Auf jeden Fall waren die Hypothetischen hier noch am Werk; die vereisten Asteroiden am Rande des Systems wimmelten nur so von fortpflanzungsfreudigen Maschinen.
    Ich war bei Allison und Turk, als die Zeitversetzung zwischen Vox-Core und der Außenwelt gegen null lief. Ich hatte die Wand ihres größten Zimmers zu einem Bildschirm gemacht – er war bis zu diesem Zeitpunkt blind gewesen und füllte sich nun mit Sternen. Wir blickten durch ein riesiges Fenster in den Weltraum hinaus.
    Wolkenhafen trieb ins Blickfeld, wurde herangezoomt; wir waren noch immer Lichtminuten entfernt.
    »Wunderschön«, sagte Allison, die noch nie eine Welt wie diese von außen gesehen hatte – Vox hatte nie großes Interesse an der Raumfahrt gehabt. Aber selbst verwöhnte Augen wären von Wolkenhafen begeistert gewesen: eine kobaltblau und türkisfarben verwirbelte Sichel mit einem weißen Eismond knapp über dem sonnenbeschienenen Horizont.
    »Erinnert mich an die Erde, wie sie einmal war«, sagte Turk. Er sah mich an, als erwarte er eine Erwiderung. Als ich schwieg, sagte er: »Isaac? Alles in Ordnung?«
    Aber ich konnte nicht antworten.
    Nein, ich war nicht in Ordnung. Mein Körper war taub; mein Verstand voller unerklärlicher Lichter und Bewegung. Ich versuchte aufzustehen und kippte um. Bevor meine Sinne schwanden, hörte ich das Geheul einer fernen Sirene – die alte, autonome Luftschutzsirene tief unter der Stadt warnte vor einer Invasion, die ich nicht mehr sehen konnte.
    Die Menschen von Wolkenhafen hatten uns entdeckt. Die Raumzeitverwerfung rings um unsere temporale Blase, die sich Energie schwitzend in ihr System hineinbremste, hatte nicht zu übersehende Tscherenkow-Impulse gesendet. Und so waren sie gekommen, um sich ein Urteil zu bilden.
    Wir hätten feindselig sein können. Eine normale hypothetische Maschine sah nicht nur anders aus, sie benahm sich auch anders – in den Jahrtausenden, seit Vox-Core die Erde verlassen hatte, hatte man viel dazugelernt, auch über die Natur der Hypothetischen. Sobald wir unsere temporale Barriere fallen ließen, sperrten sie uns die lokalen Energiequellen und unterwanderten unsere Prozessoren mit fein abgestimmten Unterdrückungsprotokollen. Mit dem Resultat, dass der Coryphaeus einschlief. Und da ein Großteil meines Ichs im Coryphaeus verankert war, verlor ich schlagartig das Bewusstsein.
    Später konnte ich rekonstruieren, was ich verpasst hatte: Mit Menschen bemannte Raumfahrzeuge schwärmten durch die nicht mehr vorhandene Barriere und dockten in Vox-Core an. Ungehindert betraten diese Menschen die Stadt und fanden Turk und Allison, die ihnen – nachdem linguistische Probleme ausgeräumt waren – erklären konnten, wer sie waren und woher sie kamen. Sie beteuerten, ich sei harmlos, und verlangten, dass man mich aus dem Koma weckte. Die Menschen von Wolkenhafen dagegen wollten erst sichergehen, dass ich auch wirklich harmlos war.
    Es war eine unglückliche Begegnung, aber bis ich wieder zu mir kam, hatte sie einen mehr oder weniger freundlichen Charakter angenommen. Ich erwachte in einem bequemen Bett in einem Krankenzimmer in Vox-Core – in meinem sterblichen Körper, versteht sich. Meine mentalen Funktionen waren völlig wiederhergestellt. Eine Frau betrat das Zimmer, stellte sich als Repräsentantin der »Verbundenen Gemeinden von Wolkenhafen« vor und entschuldigte sich für die Art und Weise, wie man mich behandelt hatte. Sie war groß und dunkelhäutig und hatte große, weit auseinanderliegende Augen. Ich erkundigte mich nach Turk und Allison.
    »Sie warten draußen auf Sie«, sagte
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