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Vor uns die Nacht

Vor uns die Nacht

Titel: Vor uns die Nacht
Autoren: Bettina Belitz
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deshalb nur ermattet. Doch wenn wir schon beim Thema sind, kann ich auch daran anknüpfen. »Jan, wenn ich mich entscheide, dir zu vertrauen, wie ist das dann eigentlich mit uns? Wie soll das funktionieren?«
    »Was genau?« Er wird nach und nach wacher, sein Kaffee ist fast leer und ich spüre, wie ich unruhig werde. Mir sitzt etwas im Nacken. Ist es die Angst, er könne wollen, dass ich ihn endlich alleine lasse? Dann muss ich mich beeilen.
    »Na ja. Eine Beziehung oder eben – etwas anderes als das davor. Denn eins sollst du wissen, die totale Unverbindlichkeit ist nichts für mich. Freiheit ja, ich möchte dich freilassen und ich meine das aufrichtig, aber …« Ich stoppe mich, weil ich mich selbst kaum anhören kann. Neuer Versuch. »Sag mal, hattest du eigentlich je eine feste Beziehung?«
    »Ach, Ronia.« Ja, ich weiß, er mag dieses Gespräch nicht. Ist mir egal. Ich bin nicht sein Spielzeug. »Nein, in dem Sinne nicht.«
    »Nein? Du hattest noch nie eine Freundin? Ehrlich?«
    »Doch, natürlich schon, aber nichts Ernsthaftes. Eben keine Frau, die mir das Wasser reichen kann.«
    »Oder es dir gleich über den Kopf schüttet, und zwar eiskalt. Oh Mann, wie soll das denn nur gehen mit uns?« Ich könnte mir die Haare raufen. »Wie stellst du dir das vor?«
    »Ganz ehrlich?« Er steht auf und positioniert sich mitten im Zimmer, als wolle er einen Vortrag halten. Ich fürchte, so ähnlich wird es laufen. »Ich halte davon nichts. Von diesen üblichen Beziehungen. Dieses ›Ich brauche dich‹, ›Ich will dich‹ und der ganze Mist. ›Ohne dich kann ich nicht leben.‹ Möchte ich jemanden haben, der ohne mich nicht leben kann? Das ist Horror! Guck dir doch an, wie es bei meinen Eltern gelaufen ist und bei so vielen anderen läuft: Sie sind jeden Tag zusammen, hocken Tag und Nacht im gleichen Mief, versprechen sich ewige Liebe und schon nach dem zweiten Kind haben sie sich nichts mehr zu sagen, bis sie sich irgendwann hassen!«
    »Wir müssen ja nicht heiraten«, werfe ich dazwischen. »Niemand spricht hier von Ehe. Ich will auch nicht mit dir zusammenziehen. Ich möchte nicht mal für ein ganzes Wochenende zu dir kommen, ich will nichts verändern in deinem Leben. Dir fällt aber auch kein Zacken aus der Krone, wenn du dich ab und zu mal meldest und …«
    »Du hast fast nie zurückgeschrieben. Oder dich als Erstes gemeldet.«
    »Stimmt«, sage ich nach einer verdutzten Pause, ohne in meinen üblichen Protest zu verfallen. Kein einziges Mal habe ich ihm als Erstes eine Nachricht geschrieben. Ich wartete stets auf ein Signal. »Aber das war doch nur, weil ich dachte, du willst das nicht. Oder dass ich nicht die richtigen Worte finde.«
    »Ist auch nicht so mein Ding, das Schreiben.« Jan reibt sich seinen Kiefer, der vom Schlafen verspannt zu sein scheint. »Wollte ja auch erst wieder raus aus Facebook. Aber …« Sein Gesicht wird düster. »Selbst wenn mehr Regelmäßigkeit reinkommt: Du sollst mich nicht brauchen, wie meine Mutter meinen Dad gebraucht hat, das will ich nicht!«
    »Ich brauche dich nicht, Jan«, entgegne ich mit sicherer Stimme. »Aber ich möchte die Einzige sein. Keine anderen neben mir. Such es dir aus, du hast die freie Wahl. Wasser reichen oder mit Bikinischönheiten am Strand planschen. Hattest du denn neben mir andere?«
    »Puh.« Seine Miene zeigt mir überdeutlich, dass ihm das hier gerade gar nicht gefällt. Mir auch nicht, es zwingt uns auf den felsigen Boden der Realität, doch da müssen wir durch. »Nein. Ohne dich beleidigen zu wollen, aber du bist anstrengend genug, dazu noch Schule und Job, reicht dicke.«
    »Fein. Du warst auch der Einzige. Und zum Thema brauchen : Ich fahr in drei Tagen nach Frankreich. Forschungssemester.«
    Jan kratzt sich im Nacken und kneift die Augen zusammen. Damit hat er nicht gerechnet. Doch ein gekränkter Mann sieht anders aus.
    »Cool. Wohin genau? Ich war mal in der Provence, das war …«
    »Gallien«, unterbreche ich ihn schneidend. »Wir graben ein Oppidum samt Müllgrube aus. Juckt dich das denn gar nicht?« Seine ehrliche Anerkennung ohne romantisches Gefühlsbeiwerk raubt mir den letzten Nerv.
    »Soll ich mich jetzt auf den Boden schmeißen und weinen? Ich frage dich: Willst du das? Und wenn ja, warum? Was hast du davon?« Oh ja, ich verstehe die Unkenrufe der anderen plötzlich bestens. Dieser Mann kann einen in den Wahnsinn treiben und mir ist nach einer schallenden Ohrfeige zumute. »Ich finde es gut, dass du das machst, das ist
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