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Vor dem Sturm

Vor dem Sturm

Titel: Vor dem Sturm
Autoren: Theodor Fontane
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von Ladalinski gleich auf dem Kirchhügel geblieben waren, weil sie das Herankommen des Zuges bemerkt hatten. Von den Dörflern, ein paar Kossäten und Büdner ausgenommen, war nur Miekley da, der das »ehrliche Begräbnis« zwar ebenso mißbilligte wie alle andern, aber doch durch zwei Dinge bestimmt worden war, diese seine Mißbilligung nicht zu zeigen. Und zwar erstens, um, wenn »etwas geschähe« – woran er nicht zweifelte –, seinerseits nichts versäumt zu haben, und zweitens und hauptsächlichst, um Uhlenhorsten, der sich auf dem Mühlenhofe zu Mittag und Abend hatte ansagen lassen, mit einer neuen »Seidentopferei« unterhalten zu können.
    Die Träger hatten ihre Last niedergestellt; nun ließen sie den Sarg hinab, und Seidentopf, während alle Forstackerkinder neugierig das Grab umdrängten, sagte mit seiner klaren Stimme: »Empfehlen wir ihre Seele Gott. Es war kein christliches Leben, das sie geführt; aber ihr letzter Tag, so hoffe ich, hat vieles ausgeglichen. Sie hatte keinen Menschen lieb, einen ausgenommen, und diesen einen, der jetzt mit an ihrem Grabe steht, hat sie gerettet oder doch mit zu seiner Rettung geholfen. Ihre List, die sonst ihr Böses war, war hier ihr Gutes. Und wenn dieses Gute nicht schwer genug wiegen sollte, so wird die Barmherzigkeit Gottes hinzutreten und in Gnaden geben, was noch fehlt. Beten wir für sie.« Und dabei nahm er sein Barett ab und sprach das Vaterunser, während zwei seitab stehende Forstackerweiber kicherten.
    »Jott, uns, Oll-Seidentopp; ick weet nich, he beet't ook för allens. Allens sall 'inn.«
    »Joa. Awers Hoppenmarieken beet't he nich rinn.«
     
    Zwei Stunden später saßen Uhlenhorst und Miekley zu Tisch; auch Kallies-Sahnepott war geladen worden. Es wurde schon die dritte Flasche Graves aus dem Keller geholt, denn alle hielten auf ein »gutes Glas«, und Uhlenhorst zeigte sich von Minute zu Minute besserer Laune. Begreiflich; denn der reiche Sägemüller sägte heute nicht bloß Stämme, sondern auch Seidentopfen mitten durch. Als er zuletzt auch von Bammes Besuch in Hoppenmariekens Wohnung berichtet hatte, sagte Uhlenhorst wichtig, und indem er sich etwas vorbeugte: »Nichts natürlicher als das, es sind Geschwister.«
    Miekley, sosehr er aus dem Munde des Kandidaten an Orakelsprüche gewöhnt war, erschrak doch einigermaßen; Uhlenhorst selbst indessen fuhr in demselben Tone fort: »Ich meine nicht von dieser Welt. Aber sie haben beide denselben Vater und wurden beide an derselben Stelle geboren. Wo? Das brauche ich Ihnen nicht erst zu sagen.«
    Sahnepott hatte die Ohren gespitzt (das war etwas für den Krug), und ehe fünf Minuten um waren, waren beide Bauern der Überzeugung, daß ihr Kandidat mal wieder den Seherblick gehabt und den Nagel auf den Kopf getroffen habe. »Ich kann mich irren«, sagte Uhlenhorst, in einen Demutston übergehend, »aber ich zweifle.«
    Und damit schloß das Gespräch.
     
    Zu Beginn des Nachmittags fuhr der Kaleschewagen vor dem Herrenhause vor; die Ponies waren eingespannt; Bamme wollte mal wieder nach seinem Gut hinüber und nach dem Rechten sehen. »Es ist mir von wegen des Pastors, Vitzewitz«, waren seine letzten Worte gewesen, als Berndt ihn aufgefordert hatte, noch ein paar Tage zu bleiben. »Ich muß ihn in der Furcht des Herrn halten, sonst wird er mir übermütig und erzählt meinen Groß-Quirlsdorfern von der Kanzel her, daß sich Hoppenmarieken aus Liebe zu mir umgebracht habe. Natürlich alles sub rosa. Immer mit Bibelstellen. Im Alten Testament, so nur der gute Wille da ist, findet sich schließlich alles, was einer braucht.« Und darnach hatte der Alte die Zügel genommen und war wie die Wilde Jagd vom Hofe hinuntergefahren, erst an dem Blachfeld und dann an dem Fichtenwäldchen vorbei, immer in der Richtung auf Küstrin zu.
     
    Das war um drei Uhr gewesen. Schon vor Dunkelwerden erschien Kallies-Sahnepott im Krug, wo er sich vorläufig mit Krüger Scharwenka behelfen mußte, denn von den andern Bauern war noch keiner da.
    »Nun ist ja der General auch fort«, sagte Sahnepott und sah so wichtig aus, als ob er wieder von »Tiegel-Schulzen« und dem Schwedter Markgrafen erzählen wollte. »Ich hab ihn heute nachmittag auf der brandroten Fuchsstute nach Frankfurt reiten sehen. Er ritt über den Forstacker. Es war so Klocker vier.«
    »Das kann nicht sein, Sahnepott«, erwiderte Scharwenka.
    »Und warum nicht?«
    »Erstens, weil die Fuchsstute tot ist; ich habe sie selber fallen sehen, keine zehn Schritt
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