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Voodoo Holmes Stories

Voodoo Holmes Stories

Titel: Voodoo Holmes Stories
Autoren: Berndt Rieger
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ausdrücken darf. Man sah immer noch eher die Frau als die Person, wenn sie einem gegenübertrat. Die Kargheit des Verhörraums schien ihr nicht viel anzuhaben, aber man merkte an ihrer aufrechten Körperhaltung, dass sie sich als Madonna fühlte, die man in eine Darstellung der Hölle gepinselt hat. Maddox erklärte ihr einleitend das Nötigste, und dann hefteten sich ihre Augen auf mich, als eine kleine Pause entstand. Sie merkte wohl, dass wir uns hier auf dünnem Eis bewegten und uns nur wenige Stunden blieben, bis Inspektor Lestrade von den jüngsten Ereignissen erfuhr und uns einen Stricht durch die Rechnung machte, denn ihr Blick war spöttisch, als sie fragte: „Wie ist das jetzt, Sergeant, soll mich dieser Jungspund beim Verhör in die Zange nehmen?“
    Sie erhielt keine Antwort, und je länger sie mich ansah, desto kleinmütiger schien sie zu werden. Ich hatte keine andere Absicht, als einfach zu warten, bis sie bereit war, aber es schien etwas in meinem Gesichtsausdruck zu liegen, das sie beunruhigte, denn ihre nächste Bemerkung war: „Ich habe nichts zu verbergen. Ich sage Ihnen alles, was Sie wissen wollen.“
    „Mrs. Simms, wie lange wohnen Sie schon in der Gordon Lane?“
    „Ich bin hier seit meiner Kindheit, seit meiner Geburt, genauer gesagt. Meine Eltern haben schon da gewohnt.“
    „Die Häuser dieser Straßenseite befanden sich bis zu ihrem Tod im Besitz Lady Stockwoods, nicht wahr?“
    „Ich nehme an, das stimmt. Jedenfalls war sie unsere Vermieterin.“
    „Kannten Sie Lady Stockwood?“
    „Jeder kannte die.“
    „Wie war sie?“
    Sie hob die Schultern und blickte zur Seite.
    „Eine Lady, eben.“
    „Ihr Mann war Sir Henry, der heute Innenminister ist“, sagte ich.
    „Ja, aber er war viel zu jung.“
    „Er war jünger als Lady Stockwood?“
    „Ja, ich glaube, zwanzig Jahre. Oder dreißig Jahre.“
    „Wie alt war Lady Stockwood, als sie sie kannten?“
    „Sie hatte schon weißes Haar, als ich klein war. Aber sie kleidete sich, als wäre sie weit jünger. Ihr Mieder war eng geschnürt, wenn Sie verstehen, was ich meine.“
    „Sie sahen sie manchmal in der Gordon Lane?“
    „Manchmal? Sie war dort so oft, man hätte meinen können, sie hätte da gelebt. Sie übernachtete manchmal sogar hier, direkt im Büro. Sie hatte ein Bett dort drinnen. Dabei hatte sie diese prächtige Villa in Hampton.“
    „Wenn Lady Stockwood in die Gordon Lane kam, was machte sie da?“
    „Sie war im Nebenhaus in ihrem Büro, und redete mit den Mietparteien. Weiß Gott, es gab ja dauernd Schwierigkeiten mit den Wasserleitungen. Und dann wechselten die Mietparteien damals häufiger als heute, und sie machte die Verträge hier.“
    „War sie allein?“
    „Nein, sie hatte immer ihren Sekretär dabei. Einen davon jedenfalls.“
    „Lady Stockwood hatte mehrere Sekretäre?“
    „Mehrere? Ich glaube, man hätte mit ihnen eine ganze Fabrik besetzen können. Gutaussehende Kerle durchwegs, ich habe mich öfters ans Fenster gesetzt in der Hoffnung, dass mich einmal einer davon anspricht. Ich könnte nicht sagen, wo man so was vermittelt bekommt, ich glaube, ich würde die Agentur noch heute anrufen.“
    „Die Sekretäre wechselten also häufiger?“
    „Ja, es hieß, es sei nicht einfach, für Mylady zu arbeiten. Sie war mit keinem lange zufrieden.“
    „Befand sie sich auch einmal in Begleitung eines Jungen da? Das müsste kurz vor ihrem Tod gewesen sein.“
    „Einen Jungen? Wenn Sie mich fragen, waren das alles Jungs. Burschen, noch grün hinter den Ohren. Kein Wunder, dass sie ihren Job so lausig machten. Sie hatten wohl noch ganz andere Dinge im Kopf.“
    Ich beschloss, die Schlagrichtung zu ändern und sagte: „Mrs. Simms, Sie wurden dabei beobachtet, wie Sie nachts zu später Stunde ins Nebenhaus spähten.“
    „Was soll das jetzt? Halten Sie mich für einen Voyeur? Das ist nicht mein Stil.“
    „Gleichwohl wissen wir, dass Sie es taten. Ich glaube, Sie benutzten sogar ein Fernrohr.“
    „Ich habe ein Fernrohr an meinem Fenster, und es blickt auch auf den Hof. Aber nicht, um die Nachbarn zu belästigen, sondern weil ich mich für Astrologie interessiere.“
    „Astrologie oder Astronomie?“
    Sie zögerte, und sagte dann: „Denken Sie von mir, was Sie wollen.“
    Ich machte eine kleine Pause, und fuhr dann im verständnisvollen Tonfall fort: das er „Ich halte Sie nicht für eine Frau, die ihre Nachbarn ausspioniert, sondern für jemand, der etwas gesehen hat, das er nicht wieder vergessen
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