Von nun an fuer immer
untersuchte seine Reflexe. Dann bat sie ihn, sich auf den Rücken zu legen, damit sie seinen Bauch abtasten konnte.
„Haben Sie sich heute unwohl gefühlt?“
„Naja, ein bisschen …“ Er verzog das Gesicht, als Lorna auf seinen Bauch drückte. „Also, ich hatte am Abend vor dem Teppichverlegen ein wenig Blut im Stuhl.“
„Helles Blut?“, erkundigte Lorna sich interessiert, doch Mr. Devlon antwortete nicht. Mit unruhigem Blick setzte er sich auf und holte ein paarmal tief Luft. Sein Gesicht hatte wieder eine ungesunde graue Farbe angenommen.
„Ich glaube, ich muss zur Toilette.“
„Würden Sie bitte eine Bettpfanne holen, Lavinia?“
Lavinia wollte gerade genervt mit den Augen rollen, erschrak jedoch, als sie einen Blick auf den Patienten warf. Der gerade noch so gesund aussehende Mr. Devlon war aschfahl im Gesicht und schweißüberströmt. Schnell holte die Schwester die Bettpfanne hervor und redete beruhigend auf Mr. Devlon ein, während Lorna ihm die Sauerstoffmaske aufsetzte.
„Es ist alles okay“, sagte Lorna ruhig und drückte auf den Notfall-Knopf.
„Was ist los?“, fragte May, die wenige Sekunden später hereingestürmt kam. Der Patient war inzwischen bewusstlos, und Lorna und Lavinia waren gerade dabei, ihn in den OP zu schieben.
„Massive Magen-Darm-Blutung“, erklärte Lorna knapp und vermied es, Abby anzusehen, die inzwischen ebenfalls dazugekommen war. „Er hatte bereits vor dem Unfall Blut im Stuhl, aber es war ihm peinlich, es zu erwähnen.“
„Ist das nicht der Patient mit der kleinen Schnittwunde an der Hand?“, fragte May unschuldig. „Ich dachte, der sollte gleich nach dem Nähen heimgehen.“
Hätte Abby sich die Mühe gemacht, Lorna besser kennenzulernen, dann hätte sie gewusst, dass Schadenfreude ihrer Kollegin völlig fernlag. Vor allem, wenn der Grund dafür ein wirklich kranker Patient war. Nach dem Zwischenfall mit Mr. Devlon war Lorna noch unsicherer als zuvor und behandelte alle ihre Patienten noch langsamer und gründlicher.
Abby verhielt sich defensiv und ließ keine Gelegenheit aus, spöttisch und verächtlich darauf hinzuweisen, dass man in einer Notaufnahme immer wieder Überraschungen erlebte, wenn man nur lange genug dort arbeitete. Und als Lorna bei einem fiebernden Kind den Kinderarzt hinzuzog, erklärte Abby ihr höhnisch, dass nicht jedes erkältete Kind eine Hirnhautentzündung hätte und sofort stationär aufgenommen werden müsste. Beide Frauen hatten auf ihre Art recht und gleichzeitig unrecht – eine Tatsache, die für Lorna nur schwer zu akzeptieren war.
Sehr schwer sogar.
Noch schwerer allerdings konnte sie akzeptieren, dass sie James verloren hatte.
Gegen halb acht war der Wartebereich endlich leer. Lorna setzte sich erschöpft auf eine Treppenstufe und sah nach, ob er sie vielleicht angerufen hatte – auch wenn sie nicht wusste, warum er das hätte tun sollen. Er war ihr schließlich keine Rechenschaft schuldig.
Offenbar sah er das genauso, denn ihre Anruferliste war leer.
Auch daheim blinkte ihr Anrufbeantworter nicht. Sie duschte, zog ihren grünen Schlafanzug und die Socken an, die sie ihm nicht zurückgegeben hatte, und schlüpfte ins Bett.
Immer wieder sagte sie sich, dass sie schnell schlafen musste, damit sie abends wieder fit für die nächste Nachtschicht war. Und dass es gut war, wenn er nach vorn blickte und mit ihr abschloss, denn nur so würde auch sie eines Tages über ihn hinwegkommen. Und dass sie sich ganz bestimmt besser fühlen würde, wenn nur endlich diese verdammte Operation hinter ihr lag.
Schade nur, dass sie nicht aufhören konnte zu weinen.
9. KAPITEL
Ihre vier Nachtschichten waren nun fast geschafft, und Lorna wünschte sich nichts mehr, als nach Hause zu fahren und niemals, wirklich niemals wieder einen Fuß ins North London Regional Hospital setzen zu müssen. Seit einundzwanzig Uhr am Vorabend hatte sich nicht einmal für eine kurze Pause die Gelegenheit ergeben. Nur einmal war sie kurz im Aufenthaltsraum gewesen, wo sie prompt James angetroffen hatte, der auf dem Sofa eingeschlafen war.
Er war in dieser Nacht dreimal gerufen worden und hatte es daher offenbar aufgegeben, immer wieder heimzufahren. Nun schlief er tief und fest, den Mund leicht geöffnet. Leise machte Lorna sich eine Instant-Suppe und setzte sich dann in den Sessel gegenüber, um ihn besser betrachten zu können.
Wie immer konnte sie sich gar nicht sattsehen an ihm. Seine großen Füße und die muskulösen Beine, seine breite
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