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Von Napoleon lernen, wie man sich vorm Abwasch drückt: Eine heitere Historie Europas (German Edition)

Von Napoleon lernen, wie man sich vorm Abwasch drückt: Eine heitere Historie Europas (German Edition)

Titel: Von Napoleon lernen, wie man sich vorm Abwasch drückt: Eine heitere Historie Europas (German Edition)
Autoren: Sebastian Schnoy
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heute gibt es eine Fähre nach Barcelona, und schon dort sprechen die Menschen anders. Wer auf Mallorca mit dem Abschlusszeugnis in der Tasche aufbricht, um in Madrid zu studieren, muss dies in einer ihm fremden Sprache, dem Hochspanischen, tun. Vielleicht versteht er auch gar nichts – und das in der Hauptstadt des eigenen Landes!
    Der eigenen Jugend das Studium in Madrid und Barcelona zu verbauen ist schon ein starkes Stück. Auch deutsche Studenten, die jahrelang Spanisch gelernt haben und zu einem Semester nach Barcelona reisen, müssen feststellen, dass sie kein Wort des Professors verstehen.
    Früher prägten die Hirten das Leben auf Mallorca. Von der Hauptstadt Palma in Richtung Osten trifft man alle dreizehn Kilometer auf eine Stadt: zunächst auf Llucmajor, dann auf Campos, danach auf Santanyi. Warum? Weil ein Hirte immer dreizehn Kilometer am Tag mit der Herde zurücklegen konnte und sich so über die Jahrhunderte hinweg an diesen Stellen Unterkünfte herausbildeten. Hinter Santanyi kann man seine Herde nur noch über das Steilufer ins Meer treiben und herabstürzen lassen. Und jetzt stürzt die Jugend in das neue Bildungsloch.
    Tatsächlich wird z.B. das Wort für Wasser (aqua) alle dreizehn Kilometer anders ausgesprochen. Unvorstellbar? Das war bei uns vor ein-, zweihundert Jahren auch so: Die Dialekte waren so stark ausgeprägt, dass ein Ostfriese eher Briten verstand als Berliner; ein Bayer konnte sich wiederum in Berlin kaum verständlich machen, und Rheinländer verstand schon in Hannover niemand mehr. Dank einheitlicher Schriftsprache, Hochdeutsch in der Schule und nationalem Radio und Fernsehen sind diese Unterschiede zu Folklore geworden – und das ist meiner Ansicht nach gut so. Dialekte können ein schönes Hobby sein und zum Heimatgefühl beitragen, das unterschreibe ich sofort. Aber: Eine wesentliche Funktion von Sprache ist, sich mit anderen Menschen verständigen zu können. Je mehr Menschen dieselbe Sprache sprechen, desto besser. Deshalb kann ich auch das Bedauern der Sprachforscher darüber nicht verstehen, dass jedes Jahr zehn Sprachen aussterben. Bei weltweit sechstausend Sprachen blieben also noch sechshundert Jahre, bis es nur noch eine einzige gibt.
     
    Um den Sprachwahnsinn perfekt zu machen, forderte die lokale Regierung auf Mallorca, dass die Flugzeugcrews beim Anflug des Flughafens in Palma de Mallorca die Ansagen nicht nur in Englisch, sondern auch auf Mallorqui machen müssen. Wenn sich dieser Trend durchsetzt, sitzen wir demnächst beim Anflug auf Stuttgart im Airbus und hören über Lautsprecher:
«Liebe Passagiere, mir fanget jetz mitm Singflug auf Schduddgard a. Mir mechtet Sie bidda, ihre Riggalähna in a aufrechte Positio zom brenga ond die Waschräum nemme aufzomsucha. Bidde bleibet Sie ohgschnallt, bis die Ohschnallzoicha aufghert hend zom leuchta.»
    Yes we can
    Niemand in Europa kann die siebenundzwanzig Amtssprachen lernen. Aber je mehr, desto besser. Das Problem beim Sprachenlernen in der Schule ist: Der Unterricht kann einem echt die Lust an Sprachen vermiesen. Das liegt daran, dass einige Lehrer ihre ganze Energie darauf verwenden, den Schülern z.B. den komplizierten französischen Konjunktiv beizubringen, den selbst Franzosen kaum benutzen, anstatt mit den Kindern sprechen zu üben. Ich hatte an der Schule jahrelang Französisch und mich nie getraut, es auszuprobieren. Am Ende habe ich es gehasst.
    Heute spreche ich es ganz formidable – wie konnte das passieren, noch dazu ohne Lehrer? Was man vernachlässigen kann, ist als Erstes die Grammatik, vor allem das Conditional  II . Was man dagegen braucht, ist ein Riesenhaufen Vokabeln. Jeder Gegenstand in meiner Wohnung, den ich nicht auf Französisch benennen konnte, bekam ein
Post it
-Zettelchen mit seiner französischen Übersetzung aufgeklebt. Das Geschirr in der Küche, die Klamotten im Schrank, der gesamte Inhalt der Werkzeugkiste, ja, selbst auf dem Rückspiegel in meinem Auto klebte eine Zeitlang der Hinweis
rétroviseur
. Mein Anreiz: Ich wollte in Frankreich nicht länger zum Taubstummen mutieren, wollte mich mit den Freunden und der Familie meiner Frau verständigen können, und – es hat geklappt!
    Vor allem ist es unglaublich wichtig, Alltagsbegriffe zu kennen. Einer meiner Kabarettkollegen hat sein Herz an eine Italienerin verloren und zog voller Zuversicht in die Toskana. Für ihn kein Problem, er hatte Italienisch studiert, kannte sich mit Geschichte und Kultur des Landes besser aus als die
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