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Von Napoleon lernen, wie man sich vorm Abwasch drückt: Eine heitere Historie Europas (German Edition)

Von Napoleon lernen, wie man sich vorm Abwasch drückt: Eine heitere Historie Europas (German Edition)

Titel: Von Napoleon lernen, wie man sich vorm Abwasch drückt: Eine heitere Historie Europas (German Edition)
Autoren: Sebastian Schnoy
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es kann nichts schiefgehen. Wir pusten die weg, besetzen die Scholle und haben Ruhe.» Was fehlte, war das Okay des Präsidenten.
    Doch der zögerte. Was ist nach dem Okay? Welchen Einfluss auf das Geschehen hatte er noch, wenn man auf Konfrontation setzte? Kennedy dachte an die Geschichte, die Barbara Tuchman festgehalten hatte, daran, was passieren kann, wenn eine Kriegsmaschinerie erst einmal angelaufen ist. Und mit dieser Geschichte sind wir wieder im Europa des Jahres 1914 . Tuchman berichtet in ihrem Buch, dass Kaiser Wilhelm  II . nach seiner Zustimmung zur Mobilisierung der deutschen Armeen gegen Frankreich die Entscheidung noch einmal überdacht hatte und zu dem Schluss gekommen war, dem Ganzen Einhalt zu gebieten und die Mobilmachung gegen Frankreich einzustellen. Zwar nicht, weil er plötzlich Kriege verabscheute, das Böse ahnte, Menschenleben schonen wollte, sondern allein aus taktischen Gründen, da er sich lieber auf einen Krieg gegen Russland konzentrieren wollte. Aber dennoch, der Kaiser selbst wollte die Mobilisierung abblasen, und eigentlich hätte man ihm Folge leisten müssen, denn er war der Oberchef.
    Doch der Chef des Generalstabs, Helmuth von Moltke, hatte sich jahrelang auf diesen Tag, die Mobilmachung, vorbereitet. Er protestierte und sagte einen Satz, der bis heute in Erinnerung bleiben sollte: «Und da es nun einmal so beschlossen ist, kann es nicht mehr geändert werden.»
    Um was ging es damals? Mit dem Befehl zur Mobilmachung gegen Frankreich wurden zwei Millionen junge Männer – eine unvorstellbar große Anzahl – einberufen, in Uniformen gesteckt und in Züge verladen. Für ein einziges Armeekorps setzten sich über sechstausend Eisenbahnwaggons in Bewegung, die verteilt auf hundertvierzig Züge im Zehnminutentakt in Richtung Westen rollten. Es gab insgesamt vierzig Armeekorps. Die Maschinerie war angelaufen und nicht mehr zu stoppen.
    Kennedy wollte aus dieser Geschichte lernen und das Heft des Handelns nicht aus der Hand geben. Das war gut so. Er musste die Nerven behalten und bremste seine Militärs.
    Übrigens wird auch das Verhalten von Chruschtschow in der Krise im Nachhinein als besonnen eingeschätzt. Derselbe Sowjetführer, der wenige Jahre zuvor bei einer UNO -Vollversammlung in New York erregt mit seinem Schuh auf das Rednerpult eingeschlagen hatte und nicht nur deshalb als Choleriker galt, fürchtete und scheute selbst die Folgen, die eine Eskalation hätte haben können.
    Friedensengel Wassili Alexandrowitsch Archipow
    Von den Präsidenten der Welt wird jedes Wort aufgeschrieben, und es ist so schade, wie wenig dagegen von den historischen Momenten normaler Leute erhalten bleibt. Deshalb soll an dieser Stelle mal ein friedlicher und weitgehend unbekannter Russe erwähnt werden, der ebenfalls den Orden für den verhinderten Nuklearkrieg verdient hätte. Auch damit nicht der ganze Ruhm für die friedvolle Beendigung der Kubakrise an einen amerikanischen Präsidenten und eine amerikanische Historikerin geht.
    Dieser sympathische Sowjetbürger hieß Wassili Alexandrowitsch Archipow und war in der Kubakrise als einer von drei Offizieren auf dem U-Boot B- 59 ebenfalls vor der Küste Kubas unterwegs. Was die Amerikaner, die bei der Blockade dieses U-Boot aufgespürt hatten, nicht wussten: B- 59 war mit Atomraketen bewaffnet. Die Kriegsschiffe der US -Armee feuerten mit Granaten ins Wasser, um das U-Boot zum Auftauchen zu zwingen. Durch die heftigen Detonationen unter Wasser ging die Besatzung von B- 59 zu Recht davon aus, dass sie angegriffen wurde – sie konnten ja nicht wissen, dass es den Amerikanern einzig und allein darum ging, sie an die Wasseroberfläche zu bringen. Also forderten die beiden Offiziere, die neben Archipow an Bord waren, den Abschuss der Atomraketen. Die Vorschrift verlangte jedoch die Zustimmung aller drei Offiziere an Bord. Archipow verweigerte sie, er votierte dafür, aufzutauchen und abzuwarten, was passieren würde. Der Druck, der in diesem Moment auf ihm lastete, muss noch viel größer gewesen sein als der in den Kommandostellen in Washington und in Moskau, zumal alle in unmittelbarer Lebensgefahr waren. Sollten sie wirklich aufgeben, wo man doch eine Superwaffe an Bord hatte und sich wehren konnte?
    Wassili war eine Taube neben zwei Falken, und letztlich setzte er sein Veto durch. Ohne seine Standfestigkeit wäre tatsächlich eine sowjetische Atomrakete vor Kuba und Florida in den blauen Himmel gestiegen.
    Auch wir Deutschen und Europäer
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