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Von Namibia bis Südafrika

Titel: Von Namibia bis Südafrika
Autoren: Daniel Oliver Bachmann
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Flasche mal kurz absetzte.
    „Drei Jahre“, war die Antwort.
    Und das unter strengen Regeln, fast wie im Mittelalter. Mit fünf Euro in der Tasche verlassen die Zimmerleute ihre Heimat, mit fünf Euro kehren sie zurück. Geld verdienen ist verpönt, Handys sind nicht gestattet, und auch die Möglichkeiten der Fortbewegung sind streng reguliert.
    „Wir reisen zu Fuß und per Anhalter“, erklärte mir Wido. „Weil's ein bisschen weit ist, nach Afrika zu tippeln, fliegen wir. Aber Eisenbahnfahren, sich ein Auto zu kaufen oder zu mieten geht nicht. Eigentlich reisen wir wie die Kollegen vor ein paar 100 Jahren.“
    Entschließt sich ein Geselle, auf die Walz zu gehen, ist er mindestens zwei Jahre und ein Tag unterwegs – Rückkehr ausgeschlossen. Das schreibt der so genannte Schacht vor, in dem die Zimmerleute organisiert sind. Während der Zeit ihrer Walz dürfen sie ihrem Heimatort nicht näher als 50 Kilometer kommen.
    „Es ist eine Entscheidung ohne Hintertürchen“, sagte Andreas.
    Also eine Entscheidung, wie sie in unserer Gesellschaft nur noch selten vorkommt.
    „Sind auch andere unterwegs?“, wollte ich wissen.
    „Von den vier traditionellen Schächten geht das Bauhauptgewerbe auf Wanderschaft“, antwortete Andreas. „Das heißt Maurer, Steinmetze, Zimmerleute, Dachdecker und Schreiner. Aber auch Schneider, Bäcker, Metzger, Goldschmiede … die Walz ist wieder sehr modern geworden.“
    Wer, sagen wir, vor 200 Jahren in ein Städtchen hineingeboren wurde und den Beruf des Bäckers erlernte, fand sich schnell in harter Konkurrenz zu einer Handvoll weiterer Bäckergesellen wieder. Um die Rivalität zu entschärfen, wurde von den Zünften die Walz ins Leben gerufen. Nach der Lehre mussten die Gesellen ihr Bündel packen und hinaus in die Welt ziehen. Manche kehrten nach Ablauf ihrer Wanderschaft zurück, voll mit Wissen und Erfahrungen, die sie den Daheimgebliebenen vermitteln konnten. So entstand Fortschritt und neues Denken auch in abgelegenen Gegenden. Anderen, denen es woanders besser gefiel und die blieben, sorgten für eine Vermischung der Gesellschaft. Alles in allem ein sinnvolles System.
    „Und wieder andere“, sagte Wido, „kamen unterwegs um. Die Walz war – und ist – nicht ungefährlich.“
    Er zeigte auf seinen Goldring im Ohr. „Das war die Lebensversicherung wandernder Gesellen. Starb einer auf Tippelei, wurde mit dem goldenen Ohrring sein Begräbnis bezahlt.“
    Und das Bier für alle, die ihm das letzte Geleit in der Fremde gaben.
    „Hat sich einer schlecht benommen“, mischte sich Uwe ein, „und gegen den Ehrenkodex des Schachts verstoßen, wurde ihm dieser Ring mit der Zange heraus gerissen. Dann war er ein Schlitzohr, und jeder konnte es sehen.“
    Schon seit Stunden kamen wir immer wieder an den Werbeplakaten eines Rasthauses vorbei. „Solitaire 100 Miles“ war da zu lesen, und darunter „Fresh food and beer.“ Dann waren es 50, 40, 30, 20 Meilen. Als das Rasthaus endlich in Sicht kam, setzte ich den Blinker schon lange davor. Sicher ist sicher.
    Die vier Zimmerleute hatten tatsächlich kaum Geld in der Tasche, und nahmen unsere Einladung gerne an. Das Prinzip, ohne viel Bimbes auszukommen, stammt ebenfalls aus den Zeiten, als wandernde Gesellen für Kost und Logis arbeiten. Was sich heute etwas geändert hat, erklärte mir Andreas.
    „Ich zahle Krankenversicherung, ich rauch’ ziemlich viel. Das muss ich irgendwie finanzieren. Und wenn ich irgendwo arbeite, und meine Arbeit gut mache, dann ist es gerechtfertigt, dass ich dafür Lohn bekomme.“
    Der wiederum fürs Reisen drauf geht. Uwe war schon in Asien auf der Walz, Andreas in Südamerika.
    „Für mich ist das ein Abnabelungsprozess“, sagte Uwe. „Von den Eltern, von der engen Umgebung zuhause. Am Anfang graust es dir, weil du keine Ahnung hast, was kommt. Am Ende willst du gar nicht mehr damit aufhören.“
    Damit dieser Anfang nicht zu schwer wird, entwickelten die Schächte feste Rituale. Rituale beim Weggehen, Rituale unterwegs, Rituale in der Phase des Heimkehrens. Einige Gesellen bleiben beim nomadischen Leben. Wer die Freiheit geschmeckt hat, dem fällt es schwer, sich später einem regulierten Tagesablauf unterzuordnen.
    „Ich lass mich gerne treiben und schau, wo es mich hin verschlägt“, sagte Wido. „Oder ich habe von einer Gegend gehört, wo ich schon immer mal hinwollte, weil es dort schön sein soll. Da such’ ich mir dann Arbeit.“
    Die tatsächlich auf die Gesellen wartet, denn sie
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