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Von Namibia bis Südafrika

Titel: Von Namibia bis Südafrika
Autoren: Daniel Oliver Bachmann
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lassen.
    „Was ist mit Aids?“, fragte ich zum wiederholten Mal.
    „Was ist mit Sutherlandia?“
    Für einen Augenblick fiel die Fassade. „Hören Sie“, sagte Kowie, und seine Geduld mit mir neigte sich dem Ende zu, „das steht einfach nicht zur Debatte. “
    „Warum?“
    „Weil wir kein Geld haben. Ohne finanzielle Unterstützung lassen sich keine klinischen Studien durchführen.“
    „Sutherlandia wird in vielen Tausend Fällen erfolgreich eingesetzt, wissenschaftlich begleitet und protokolliert.“
    Nigel Gericke war nicht untätig geblieben, und unterstützte trotz aller Hindernisse und Verbote aidskranke Menschen in besonders betroffenen Gebieten Südafrikas. Er hatte mir seine wissenschaftlichen Aufzeichnungen zur Verfügung gestellt, und die letzten Nächte war ich mir vorgekommen, als büffelte ich erneut für mein Biologie-Abitur. Das machte mich zwar nicht zum Experten, aber ein X für ein U konnte mir auch keiner vormachen.
    Das war Kowie mittlerweile klar. „Tut mir leid“, sagte er. „Ich habe wirklich noch zu tun.“
    Daran hatte ich keinen Zweifel. Ich erhob mich ohne zu fragen, „wie viel Schmiergeld haben Sie eigentlich bekommen?“
    Stattdessen sagte ich höflich „Auf Wiedersehen“, und meinte es auch so. Steter Tropfen höhlt den Stein.
    Am nächsten Tag traf ich Anne Hutching in einem Café an der Victoria and Alfred Waterfront. Die Ethno-Botanikerin und Dozentin an der Universität Zululand war eine der Ersten, die auf Anregung von Nigel Gericke Sutherlandia im KwaZulu-Natal einsetzt. Dort und in Swasiland herrscht die höchste Aids-Rate der Welt. Jeder Zweite, egal ob Mann, Frau, alter Mensch oder Neugeborener, trägt die Zeitbombe in sich. Sollte man da nicht alles versuchen, um zu helfen, selbst auf die Gefahr hin, dass ein paar Pharmabosse Haare auf den Zähnen kriegen? Ich kann ja verstehen, dass in Südafrika ein hohes Maß an Frust vor weißen Besserwissern herrscht. Trotzdem nimmt die Beratungsresistenz der südafrikanischen Regierung bizarre Formen an. Es geht auch anders, das zeigen Beispiele in Botsuana oder Uganda. Lange Jahre war das ostafrikanische Land stärker von Aids befallen als Südafrika. 1992 war jede dritte schwangere Frau in Uganda HIV-infiziert. Mittlerweile wurde durch landesweiten Sexualkundeunterricht, einer flächendeckenden Werbekampagne zum Gebrauch von Kondomen sowie HIV-Tests, deren Ergebnisse am selben Tag bekannt werden, die Aids-Rate gesenkt. Fast noch wichtiger: Krankheitsverhütung ist in Uganda mittlerweile ein Thema in der Gesellschaft. Wobei wir vor unserer der Haustüre kehren müssen: Deutschlands Jugendliche zeigen nach Jahren der Aufgeklärtheit eine erschreckende Unkenntnis in Sachen Aids. Nach jüngsten Untersuchungen des Robert-Koch-Instituts glaubt jeder fünfte, einem HIV-Positiven die Krankheit anzusehen und sich dadurch schützen zu können. Keine Frage, gäbe es einen Sexual-Pisa-Test, der Turm würde glatt umfallen.
    Anne Hutchings war eine kleine Frau, die mit so leiser Stimme sprach, dass ich sie kaum verstehen konnte. Wer glaubte, dahinter verberge sich ein schwacher Charakter, hatte sich getäuscht.
    „Wer so viel Elend wie ich gesehen hat“, sagte sie, „lässt sich weder mit Schmeicheleien noch Drohungen vom Weg abbringen.“
    Beides hatte es gegeben. Denn die Folgen von Aids sind tief greifend – und die Folgen der Bekämpfung von Aids damit auch.
    „Der Kampf gegen Aids verändert die afrikanische Gesellschaft, in welcher Frauen nur Pflichten und kaum Rechte haben. Männer dürfen alles, auch mit mehreren Sexualpartnern verkehren. Das sorgt für eine enorme Verbreitung des Virus in die Familien hinein: Ehefrauen werden angesteckt, Neugeborene auch. Daher genügt es nicht, die Leute über Gesundheitsfragen aufzuklären. Die ganze Gesellschaft muss sich ändern.“
    Annes Stimme war nicht lauter geworden, trotzdem drehten sich Köpfe uns zu. Es war ein ganz heißes Eisen. Doch sie hatte Recht. Auf nichts lässt sich bequemer ausruhen wie auf überkommene Traditionen – vor allem, wenn diese einem die besseren Karten zuspielen.
    „Im KwaZulu-Natal versorge ich 800 Aids-Kranke mit Sutherlandia“, sagte Anne. „Die Ergebnisse geben viel Anlass zur Hoffnung. In den meisten Fällen können die Kranken wieder einem lebenswerten Leben nachgehen. Doch dann passiert auch folgendes: Ich gebe einer Frau Sutherlandia, und nach einer Woche treffe ich sie, am Boden zerstört. Was ist passiert, will ich wissen. Und sie
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