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Von jetzt auf gleich

Von jetzt auf gleich

Titel: Von jetzt auf gleich
Autoren: Caprice Crane
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wir beide förmlich.
    Die Tür ging auf und da stand Dirk und schaute uns an. Er sah gut aus in seinem Smoking.
    »Hey!«, sagte ich, als mir plötzlich die Folgen bewusst wurden. »Du darfst mich nicht sehen, bis ich den Kirchengang hinunterkomme! Das bringt Unglück!«
    »Ich lass euch zwei alleine«, sagte Sam und schlich sich aus dem Raum.
    »Komm her«, sagte Dirk und zog mich zu sich. »Das bringt Glück.« Und dann küsste er mich zärtlich. Seine Lippen wanderten über meine Wange und meinen Nacken, bis sie schließlich mein Ohr erreichten. Er fing an, in meinem Ohr herumzusabbern wie ein halbverhungerter Hund, der die letzten Reste seines Futters ableckt, nachdem er eine Woche lang nichts gegessen hat. Keine Spur mehr von den zärtlichen Küssen. Ich wollte seine Gefühle nicht verletzen, aber es war eher ekelhaft.
    Und als ich instinktiv gegen seinen Arm drückte und mich leicht aufrichtete, hatte ich das Gefühl, als hätte ich das schon einmal erlebt. Wir beide, ganz nah beieinander, mein Kopf mit weit geöffneten Augen seitlich zu ihm gedreht. Ein Déjà-vu oder eine echte Erinnerung? Dirks Zunge in meinem Ohr war eine äußerst unangenehme Empfindung, von der ich fast sicher war, dass ich sie schon einmal erlebt hatte. Ich zog mich weg und schaute ihn an. Ich konzentrierte mich sehr. Sosehr ich konnte. War ich dabei, mich an irgendetwas zu erinnern? Dirk zwinkerte mir zu, während er sagte: »Wir sehen uns vor dem Altar, Baby.« Und dann war er weg.
    Ich verharrte gut zehn Minuten in derselben Position und versuchte diesen Moment wieder wachzurufen, diesen anderen Moment. Ich hatte verdammt nochmal genau in diesem Augenblick etwas empfunden. Etwas anderes als »jetzt«.
    Walter öffnete die Tür, und Cat schaute hinein und winkte mich mit einem bangen Lächeln heraus. Ich nahm meinen Brautstrauß und stand da in meinem knisternden Brautkleid.
    Dann ging mir plötzlich ein Satz durch den Kopf, aber der hatte nichts mit Dirk zu tun. Es ging um Ohren. »Übers Ohr hauen.« Als Kind hatte ich immer verstanden »übers Rohr hauen«. Ich konnte nicht einordnen, wann oder wo, es war eine verschwommene Erinnerung, ich konnte meine Mutter lachen und mich korrigieren hören, aber es ergab trotzdem keinen Sinn.
    Ich wollte mich nicht bewegen, denn ich bildete mir ein, dass die Erinnerungen mich genau an dieser Stelle einholten. Also blieb ich noch ein paar Minuten stehen und wartete darauf, dass mein Gedächtnis oder nur ein Wort oder ein Satz oder ein Bild zurückkämen. Nichts passierte. Nur der Hochzeitsmarsch ertönte. Ich nahm das als ein Zeichen und machte mich bereit für den wichtigsten Tag in meinem Leben.
    ***
    Cat, Danielle and Samantha drängelten sich zum Eingang, um zusammen mit Dirks Trauzeugen den Gang hinunterzuschreiten. Danach kam meine Mutter. Ich hakte mich bei Walter unter, und plötzlich zogen sich alle meine Muskeln zusammen – ich wusste nicht, ob ich jeden Moment losschreien oder ohnmächtig zusammenbrechen würde, sollte ich zu lachen oder zu weinen anfangen oder alles zusammen.
    Ich hatte das sichere Gefühl, neben mir zu stehen, einige Meter entfernt, in Jeans und T-Shirt, während ich eine Braut beobachtete, die gerade vergeben wurde und die ich nicht kannte, obwohl es ich selbst war. Vielleicht ging das allen Bräuten und Bräutigamen so, die zum ersten Mal vor dem Altar standen. In diesem großen Moment, das Eheversprechen nur noch einen Wimpernschlag entfernt, verfielen sie in leichten Wahnsinn, weil ihnen bewusst wurde, dass ihr Leben sich unweigerlich ändern würde. Ich bin nicht sicher, wie viele sich mit dem Gedanken an eine mögliche Scheidung trösteten, aber ich tat das ganz bestimmt nicht. Meine Gedanken trieben durch eine Landschaft, teilweise karg, teilweise voller Gesichter, die ich kannte, und durch Orte, an denen ich gewesen war, erfüllt von Stimmen, die ich nicht verstehen konnte, und Musik, die sich anhörte, als würde sie unter Wasser abgespielt. Ich war versucht, wegzugehen, aber die Braut blieb neben ihrem Stiefvater, den sie kaum kannte, stehen. Sie war bereit, den Gang hinunterzuschreiten und sich für den Rest ihres Lebens an einen Mann zu binden, von dem die Hälfte ihrer Freunde schwor, dass sie ihn hasste.
    Wir standen am Eingang, und Walter legte mir etwas Kleines in die rechte Hand. Ein oranges Geleebonbon. »Das soll dir Glück bringen«, sagte er. Ich steckte mir das Bonbon schnell in den Mund, kaute und schluckte es runter. Dann standen alle auf
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